Die Wirtschaftskammer bemängelt die Finanzierung der Elternzeit – und dass die Vorlage das Missbrauchspotenzial aussen vor lässt.

Unsere Juristin Gunilla Marxer und die Stellvertretende Geschäftsführerin Isabell Schädler haben nach intensiver Arbeit gestern die Stellungnahme zum Thema Elternzeit abgegeben.

Nachdem die Gewerkschaft LANV, der Verein für Menschenrechte (VMR), die IG Elternzeit und weitere Gruppen nach Ende der Vernehmlassungsfrist ihre Meinung zum geplanten Elternurlaub kundgetan haben, reicht nun die Wirtschaftskammer ihre Stellungnahme nach. Ihre wichtigsten Kritikpunkte und Forderungen im Überblick – und was die Arbeitgeberseite am Regierungsvorschlag befürwortet:
Die Vergütung an Eltern geht in Ordnung
Die Wirtschaftskammer sieht es positiv, dass von den geplanten vier Monaten Elternzeit zwei Monate bezahlt werden (s. Box). Ebenfalls goutiert sie, dass die Vergütung an die Eltern 50 Prozent des durchschnittlichen massgebenden Monatslohns betragen soll.

Fragen nach Kontrolle und Missbrauch …
Andererseits stellt sich die Wirtschaftskammer die Frage, wie mit einem allfälligen Missbrauch umgegangen wird. «Wenn das Kind noch nicht drei Jahre alt ist, muss insbesondere bei einem Stellenwechsel eines Elternteils gewährleistet werden, dass der Elternurlaub nicht doppelt
bezogen werden kann», heisst es in der Stellungnahme.

… und dem Schutz der Arbeitgebenden
Eine weitere Befürchtung der Wirtschaft: Eltern könnten nach dem Bezug der Elternzeit nicht mehr in die Firma zurückkehren. In diesem Zusammenhang stelle sich die Frage, ob es nicht auch einen Kündigungsschutz für den Arbeitgeber geben sollte – und wie sichergestellt werden könne, dass der
bezahlte Elternurlaub auch tatsächlich für die Kinderbetreuung in Anspruch genommen werde.

Nicht nur Arbeitgeber sollen zahlen
Dass die Finanzierung der Elternzeit in vollem Umfang über die Familienausgleichskasse (FAK) laufen soll, kritisiert die Wirtschaftskammer scharf: «Das können nicht nachvollziehen.» Schliesslich seien es hauptsächlich die Arbeitgeber, die die Beiträge an die FAK zahlen. Stattdessen fordert die Wirtschaftskammer eine paritätische Finanzierung – sowohl durch Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer.

Bedenken bezüglich Finanzen der FAK
Das Konto der FAK ist aktuell gut gefüllt. Die Wirtschaftskammer hegt jedoch schon Bedenken, was die Zukunft betrifft – vor allem, falls der bezahlte Elternurlaub dereinst noch weiter ausgebaut oder
verlängert werden müsste. «Hat sich die Regierung Überlegungen gemacht, wie sich die finanzielle Situation bei der FAK entwickeln wird?»

Soll auch der Staat mitbezahlen?
Unterm Strich sieht die Arbeitgeberseite «eine grosse finanzielle, organisatorische und bürokratische Belastung» auf die Unternehmen zukommen, vor allem auf die kleinen und mittleren. Die Wirtschaftskammer schreibt: «Darum stellt sich berechtigterweise die Frage, welche Rolle der Staat hinsichtlich einer finanziellen Beteiligung an der Umsetzung der Elternzeit hat.»

Vaterschaftsurlaub wird kritisch beleuchtet

Dass der Vaterschaftsurlaub zehn Arbeitstage am Stück dauern soll, befürworten die Arbeitgeber. Aber auch hier wittern sie ein Missbrauchspotenzial. Für den Vaterschaftsurlaub werde nicht verlangt, dass der Vater im gleichen Haushalt lebt wie das Kind. Wenn das nicht der Fall ist, fragt sich die Wirtschaftskammer: «Ist dann der Sinn und Zweck nach wie vor vorhanden? Wie wird hier ein allfälliger Missbrauch geprüft?» Ausserdem sei in einzelnen Gesamtarbeitsverträgen ein bezahlter Vaterschaftsurlaub bereits vorgesehen. Diese Tage sollten gemäss den Arbeitgebern vom zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub abgezogen werden.

Vaterland, 24.03.2023 von Valeska Beck