Die Regierung hat den lang erwarteten Bericht und Antrag zur Umsetzung der Elternzeit-Richtlinie verabschiedet. Der Landtag wird anlässlich der März-Landtagssitzung den Bericht und Antrag in 1. Lesung beraten. Schwerpunkt der Regierungsvorlage bilden die Einführung einer bezahlten Elternzeit sowie einer bezahlten Vaterschaftszeit. Die Umsetzung der Richtlinie soll der Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Gleichstellung von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt dienen.
Seit über 20 Jahren gibt es bereits einen gesetzlichen Anspruch auf Elternurlaub. Der nun vorliegende Bericht und Antrag der Regierung baut auf den bereits bestehenden Bestimmungen auf und ergänzt diese, indem bestehende Rechte gestärkt und neue Rechte eingeführt werden. Konkret soll die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit folgenden Neuerungen verbessert werden:
• Einführung einer bezahlten Elternzeit
• Einführung einer bezahlten Vaterschaftszeit
• Einführung einer Betreuungszeit
• Konkretisierung der Freistellung aufgrund höherer Gewalt
• Bessere Ausgestaltung der flexiblen Arbeitsregelungen
• Ausdrückliche Schutzbestimmung für die Beschäftigungsansprüche von Arbeitnehmenden
Die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1158 bedingt die Anpassung der entsprechenden Bestimmungen im ABGB. Da die Vaterschaftszeit und neu auch ein Teil der Elternzeit zu vergüten sind, sind zusätzliche Gesetzesanpassungen im Familienzulagengesetz und im Krankenversicherungsgesetz notwendig.
Einführung bezahlte Elternzeit
Bisher hatten die betroffenen Arbeitnehmenden grundsätzlich Anspruch auf einen unbezahlten Elternurlaub im Umfang von jeweils vier Monaten pro Elternteil. Der bisherige Anspruch auf Elternurlaub besteht, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als ein Jahr gedauert hat oder es auf mehr als ein Jahr eingegangen wurde. Die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer ist berechtigt, den Elternurlaub in Vollzeit, in Teilzeit, in Teilen oder stundenweise zu beziehen. Dabei ist auf die berechtigten Interessen der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers und der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
In der vorliegenden Gesetzesvorlage wird nun aus dem bestehenden Elternurlaub die bezahlte Elternzeit. Gemäss Regierung soll neu pro Elternteil ein Anspruch auf vier Monate Elternzeit bestehen, der nicht übertragbar ist. Zwei der vier Monate Elternzeit werden mit je 100% des durchschnittlichen massgebenden Monatslohns bzw. mit max 4‘760 Franken monatlich vergütet. Finanziert und administriert werden soll die bezahlte Elternzeit durch die Familienausgleichskasse (FAK). Die Regierung rechnet damit, dass ca. 50 bis 75% der Anspruchsberechtigten die bezahlte Elternzeit in Anspruch nehmen werden, so wären mit jährlichen Kosten in der Höhe von ca. 6.7 bis 10 Millionen Franken zu rechnen. Dazu kommen noch die Kosten der vergüteten Elternzeit für jene Eltern, deren Kinder vor Inkrafttreten der Vorlage geboren wurden, das dritte Lebensjahr aber noch nicht vollendet haben.
In unserer Stellungnahme zum Vernehmlassungsbericht haben wir gefordert, dass für die Finanzierung keine neue Kasse aufgebaut und keine zusätzlichen Lohnnebenkosten für die Arbeitgeber eingeführt werden. Wir haben auch klar die Meinung vertreten, dass für die Finanzierung der bezahlten Elternzeit auch die Anspruchsgruppe «Arbeitnehmer» herangezogen werden soll. Dieser Forderung ist die Regierung in ihrem Bericht und Antrag nachgekommen. Per 1. Januar 2025 soll bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein FAK-Lohnabzug in Höhe von 0.1 Prozent erfolgen. Die Regierung rechnet mit Mehreinnahmen für die FAK von rund 3.4 Mio. Franken.
Einführung bezahlte Vaterschaftszeit
Neu ist die Einführung einer bezahlten Vaterschaftszeit, die Liechtenstein bis anhin noch nicht kannte. Väter sollen Anspruch auf zwei aufeinanderfolgende Arbeitswochen Vaterschaftszeit haben, welche innert 8 Monaten nach der Geburt des Kindes bezogen werden muss. Vergütet wird die Vaterschaftszeit mit 80% des AHV-pflichtigen Lohnes. Diese Leistung wird über das Krankenversicherungsgesetz gewährt. Bei einer Inanspruchnahme der gesamten Vaterschaftszeit durch alle hierzu berechtigten Personen wird mit jährlichen Kosten in Höhe von maximal CHF 1.92 Mio. gerechnet.
Die Finanzierung der Vaterschaftszeit über die Krankenversicherung ist für die Wirtschaftskammer sowie auch andere Vernehmlassungsteilnehmer nicht der richtige Weg. Wie schon beim Mutterschaftsurlaub wird nun auch die Vaterschaftszeit einer Krankheit gleichgestellt. Weiters werden wieder hauptsächlich die Arbeitgeber zur Kasse gebeten, da der Grossteil der Betriebe das Krankentaggel auf mehr als 10 Tage aufgeschoben hat und somit die Leistungen für die Vaterschaftszeit aus eigener Tasche zu bezahlen hat. Wieso die Regierung hier nicht einen anderen Weg gehen will und die geschätzten jährlichen Kosten von 1.92 Mio. Franken nicht auch über die FAK finanziert ist für uns nicht verständlich.
Wir begrüssen den Vorschlag, dass der Vaterschaftsurlaub von 10 Arbeitstagen am Stück zu beziehen ist. So kann insbesondere dem Grundgedanken der Vater-Kind-Bindung Rechnung getragen werden. In einzelnen Gesamtarbeitsverträgen ist ein bezahlter Vaterschaftsurlaub bereits vorgesehen (zwischen 1 bis 3 Tage). Wir sind der Ansicht, dass die Bestimmungen der Gesamtarbeitsverträge (GAV) miteinberechnet werden müssen. Soll heissen, wenn ein GAV beispielsweise bereits jetzt schon 2 Tage bezahlten Vaterschaftsurlaub gewährt, sich der Anspruch nicht auf 12 Tage erhöht. So soll verhindert werden, dass es bei den Betrieben zu zusätzlichen finanziellen Belastungen kommt. Eine Ausweitung des Vaterschaftsurlaubs über 10 Tage hinaus, soll den einzelnen Betrieben obliegen.
Einführung einer Betreuungszeit
Es wird in der Gesetzesvorlage die in der EU-Richtlinie geforderte Betreuungszeit umgesetzt. Es ist vorgesehen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen Anspruch auf Freistellung im Umfang von bis zu fünf Arbeitstagen zu gewähren, um Angehörige (Kind, Elternteil, Ehe- oder eingetragener Partner bzw. eingetragene Partnerin) oder im gemeinsamen Haushalt lebende Personen zu betreuen, soweit diese aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung auf Betreuung angewiesen sind. Eine Vergütung der Betreuungszeit ist nicht vorgesehen.
Diese neu eingeführte Betreuungszeit kommt zu dem Pflegeurlaub, der in Liechtenstein bereits seit Jahren gesetzlich verankert ist, hinzu. Dieser wird im vorliegenden Bericht und Antrag konkretisiert.
Konkretisierung der Freistellung aufgrund höherer Gewalt
Gemäss geltendem Recht hat eine Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeitnehmer bei Krankheit oder Unfall von in Hausgemeinschaft lebenden Familienmitgliedern unter Umständen Anspruch auf Freistellung aufgrund höherer Gewalt für bis zu drei Tagen pro Ereignis bei voller Entlohnung durch die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber, sofern ihre bzw. seine sofortige Anwesenheit dringend erforderlich ist und die Pflege nicht anderweitig organisiert werden kann. Diese bereits bestehende Regelung wird neu gefasst, indem der Kreis der Familienangehörigen abschliessend definiert, das Kriterium der Hausgemeinschaft gestrichen und die volle Lohnfortzahlung explizit aufgenommen werden.
Der vorliegende Bericht und Antrag bringen viele Neuerungen und Anpassungen mit sich, welche für Arbeitgeber organisatorische und insbesondere auch finanzielle Auswirkungen haben werden. Wir sind gespannt, wie sich die Landtagsabgeordneten mit der Regierungsvorlage auseinandersetzen und ob zugunsten der Wirtschaft insbesondere bei der Finanzierung der Vaterschafszeit Anträge eingebracht werden.
Von Isabell Schädler, Geschäftsführer-Stellvertreterin
Forderungen der Wirtschaftsverbände
In einem gemeinsamen Papier haben sich die Wirtschaftsverbände – der Liechtensteinische Bankenverband, die Liechtensteinische Industrie- und Handelskammer und die Wirtschaftskammer Liechtenstein und die Liechtensteinische Industrie- und Handelskammer –hinsichtlich der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1158 positioniert. Folgende Kernaussagen lassen sich hieraus zusammenfassen:
- der Vereinbarkeit von Familie und Beruf kommt, auch mit Blick auf die Standortattraktivität, eine grosse Bedeutung zu;
- über die Mindestvorgaben der EU soll nicht hinausgegangen werden (zwei Monate bezahlte Elternzeit, 10 Tage bezahlte Vaterschaftszeit);
- der grosse Wettbewerbsvorteil des Wirtschaftsstandortes Liechtenstein, sprich vergleichsweise niedrige Lohnnebenkosten bei gleichzeitig hohen Löhnen, soll erhalten bleiben;
- der bezahlte Teil von zwei Monaten muss die finanzielle Überbrückung der Elternzeit ermöglichen, aber die Eltern nicht 1:1 entschädigen;
- insbesondere mit Blick auf Geringverdienende wird eine Grundsicherung an-statt eines prozentualen Anteils des Lohnes gefordert;
- für die Finanzierung soll keine neue Kasse aufgebaut werden.