Liecht. Vaterland, 29.04.2023 von David Sele
Wirtschaftskammerpräsident Martin Meyer war der Erste, der in Liechtenstein «Verbotskultur» gesagt hat. Mit diesem Wort distanzierte er sich im Mai 2022, an der Jahresversammlung der Wirtschaftskammer Liechtenstein (WKL), nicht nur von der mittlerweile abgelehnten Casinoverbotsinitiative, sondern auch vom geplanten Verbot von Öl- und Gasheizungen. Knapp zwölf Monate später ist Meyers «Verbotskultur»
längst zum Kampfbegriff für die Gegner der von Wirtschaftsministerin Sabine Monauni auf den Weg gebrachten Abänderung des Baugesetzes geworden. Und an der Jahresversammlung 2023 der WKL
knüpfte Meyer in seiner Präsidialansprache nahtlos daran an. Nach wie vor stelle sich die
Wirtschaftskammer klar gegen das Verbot fossiler Heizungen wie auch gegen die in der Gesetzesänderung vorgesehene Photovoltaikpflicht. Nicht, weil die WKL sich der Energiewende verschliessen wolle, wie Meyer mehrfach betonte. Sondern, weil diese Energiewende mit Anreizen und nicht mit Verboten erreicht werden müsse. Die WKL fordere eine «liberale Wirtschaftspolitik».
Viele E-Mails mit vielen Fragezeichen
Wirtschaftsministerin Sabine Monauni dürfte dies in den vergangenen Monaten zur Genüge
gehört haben. Ihr sei bewusst, wie kontrovers die Gesetzesvorlage ist, «ich erhalte viele
E-Mails mit vielen Fragezeichen», erklärte Monauni in ihrer Ansprache vor den WKL-
Mitgliedern. Die Ministerin kritisierte aber auch, dass von den Gegnern «viel Desinformation» betrieben werde – bewusst oder unbewusst. «Wir planen kein absolutes Verbot und keine absolute Pflicht»,
verwies Monauni auf die Ausnahmen im Gesetzesvorschlag. «Und es muss niemand eine funktionierende Heizung ausbauen», stellte Monauni klar.
An die versammelten Wirtschaftsvertreter appellierte Monauni: «Ich würde mir wünschen, dass wir gemeinsam mit einem positiven Spirit ein CO2–neutrales Liechtenstein schaffen. Derzeit sind wir diesbezüglich aber definitiv nicht auf der Zielgeraden.» Letztlich gehe es um die Frage, wie die Klimazie–
le erreicht werden können, zu welchen sich auch die WKL bekennt. «Und wenn die WKL bessere Vorschläge hat, wie wir das schaffen, bin ich die Erste, die dafür offen ist», sagte Monauni.
WKL wünscht sich weiter «Strompreisdeckel»
Abermals eine klare Absage erteilte Monauni hingegen der Idee der Wirtschaftskammer, Gewerbe und Haushalte mit einem «Strompreisdeckel» von den hohen Energiekosten zu entlasten. Eine Idee, die indes
auch nichts mit einer «liberalen Wirtschaftspolitik» zu tun habe, wie Monauni anmerkte. WKL-Präsident Martin Meyer hatte zuvor lobend das Beispiel von Deutschland und anderen Ländern angeführt,
wo der Staat Milliarden in die Energiebranche fliessen liess, um die Strompreise künstlich zu senken. Liechtensteins Regierung sei überzeugt, dass eine Entlastung bedarfsorientiert und nicht nach dem
Giesskannenprinzip zu erfolgen habe, betonte daraufhin Monauni. Auch, weil es kommende Generationen wären, die die hohen Summen für eine flächendeckende Preissenkung letzten Endes bezahlen müssten.
Nicht immer einer Meinung, aber «immer konstruktiv»
Wohl werden Monauni und Meyer auch im kommenden Jahr weder bei der «Verbotskultur» noch bei der «Strompreisentlastung» eine gemeinsame Linie finden. Derartige inhaltliche Dissonanzen dürfen
gemäss den Aussagen der beiden aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kammer und Ministerin gut zusammenarbeiten. «Wir bekommen nicht immer, was wir wollen, aber Sabine Monaunis Tür ist für uns immer offen», sagte Martin Meyer. Der Dialog sei immer konstruktiv, bestätigte Monauni. Dies zeigt sich beispielsweise in einer jüngst eingesetzten gemeinsamen Arbeitsgruppe, die sich dem Arbeitskräfteman–
gel widmet – wohl die grösste Herausforderung für die Wirtschaft in den kommenden Jahren, wie Martin Meyer in seiner Ansprache herausstreicht. Ein Stück weit sieht er auch hier den Staat in der Verantwortung. Mit finanziellen Anreizen könnten gewerbliche Ausbildungen gefördert werden. Einen klaren Appell richtete er jedoch auch an die Unternehmen, nicht abzuwarten, sondern verstärkt
Bildungsangebote zu schaffen.
Wirtschaftskammer erhält neue Sektion und erhöht Beiträge
Die Jahresversammlung der Wirtschaftskammer Liechtenstein (WKL) genehmigte am Freitag einstimmig die Aufnahme der Sektion «Kunst & Kultur» in den Verband. Beantragt hatte dies die während der
Coronapandemie geschaffene IG Kunst & Kultur. Gerade in dieser Zeit hätten es Kulturschaffende stark zu spüren bekommen, dass sie nicht als Wirtschaftszweig angesehen werden, sagte Sektionsvertreter
Michael Gattenhof in seiner Dankesrede. Nun sei Kunst und Kultur auch in Liechtenstein eine anerkannte Wirtschaftsbranche.
Mitgliederbeiträge um 15 Prozent erhöht
Die WKL-Jahresversammlung fällte aber noch einen weiteren historischen Entscheid. Erstmals seit der Gründung vor 15 Jahren werden die Mitgliederbeiträge erhöht. Nötig sei dies, weil die WKL jährlich ein negatives Betriebsergebnis aufweise, erklärte Geschäftsführer Jürgen Nigg. Wenngleich das Gesamtergebnis dank betriebsfremden Erträgen positiv ausfalle, fehle der nötige Spielraum, Projekte
umzusetzen und den wachsenden Anforderungen finanziell gerecht zu werden. Dem Antrag auf Erhöhung der Mitgliederbeiträge um 15 Prozent folgte die Jahresversammlung bei einer Gegenstimme.