Zwei Jahre lang konnte der Neujahrsapéro der Gewerblichen Industrie Liechtenstein (GIL) nicht stattfinden. Montagabend konnte dies endlich nachgeholt werden – Mit einer interessanten Forderung und einer spannenden Referentin.
«Wir lassen nicht locker», sagte Gieri Blumenthal am Montagabend – das müsse auch weiterhin die Maxime sein. Der GIL-Vizepräsident erinnerte in diesem Zusammenhang an die vergangenen zwei herausfordernden Jahre, die aber gemeistert werden konnten, da niemand «lockergelassen » habe. Die verbreitete Hoffnung, dass ein Ende der Coronapandemie zurück zur Normalität führen würde, erfülle sich jedoch wohl nicht. Kaum jemand habe mit der aktuellen geopolitischen Lage gerechnet. «Die Welt hat geschlafen und gewisse Ideologien nicht erkannt », sagte Blumenthal. Möglicherweise hätten der allgemeine Wohlstand und die Priorisierung von gewissen Partikularinteressen dazu beigetragen, dass man geopolitisch «lockergelassen» habe. Hierbei mahnte der GIL-Vizepräsident im Hinblick auf die Erwartungshaltung dem Staat gegenüber – und auch aus einem gewissen Wohlstand heraus – vor zu viel Bequemlichkeit. Jeder müsse schliesslich etwas zum grossen Ganzen beitragen. An den anwesenden Regierungschef Daniel Risch richtete Blumenthal im Anschluss eine Bitte: Es sei löblich, dass der Staat Reserven bildet, um in Krisensituationen reagieren zu können. Allerdings sollten Unternehmen gefördert werden, damit auch sie Reserven bilden können – die Möglichkeiten zu sparen und liquide Mittel zu halten, sollten attraktiver werden. «Ich bin nicht sicher, ob es gewollt ist, dass Unternehmen viel Liquidität haben», so Blumenthal.
Bedeutung des Zollvertrages
Regierungschef Daniel Risch nahm den Ball auf und scherzte, dass es etwas Besonderes sei, Finanzminister in einem Land zu sein, in dem sich das Gewerbe wünscht, mehr Liquidität
halten zu dürfen. In seinem Grusswort erinnerte Risch an die Ziele der Regierung, die unter anderem
darin bestehen, möglichst gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Die heimische Wirtschaft habe die
Pandemie vergleichsweise gut überstanden, insbesondere durch die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen. Angesichts aktueller Lieferkettenprobleme, Rohstoffengpässe und geopolitischer Spannungen zeigte sich Risch im Hinblick auf jene Anpassungsfähigkeit überzeugt, dass auch die nächste Zeit gemeinsam gemeistert werden könne. «Liechtenstein hat in Krisenzeiten immer verstanden, sich auf neue Situationen einzustellen», sagte Risch in Erinnerung an den Ersten Weltkrieg. Seinerzeit habe es hierzulande an nahezu allem gefehlt, in der Konsequenz löste sich Liechtenstein von Österreich und wandte sich der Schweiz zu. Der Zollvertrag habe in der Folge wesentlich zum späteren Wohlstand des Landes beigetragen. «Auch heute noch profitiert die Wirtschaft und der Finanzsektor von dem Vertrag», erinnerte Regierungschef Daniel Risch.
Unabhängigkeit der SNB
Im Anschluss stand mit Barbara Janom Steiner ein seltener Gast auf der Bühne. Die Präsidentin des
Bankrats der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gab in ihrem Referat mit dem Titel «Aus dem Nähkästchen der SNB» einen Einblick in einzelne Bereiche der SNB: Neben den Aufgaben, der Organisation, den finanziellen Kennzahlen 2021 und den Berührungspunkten zur Politik ging Steiner dabei auch auf politische Begehrlichkeiten ein. Anders als es der Titel hätte vermuten lassen, blieb sie aber korrekt und plauderte nicht «aus dem Nähkästchen». Im Hinblick auf die Unabhängigkeit der SNB äusserte sie aber – insbesondere aufgrund verschiedener politischer Begehrlichkeiten – ihre Sorge.
Denn Wünsche an die SNB gebe es in der Schweiz viele: Wie etwa die Gewinnausschüttung direkt in
die AHV oder andere Zweige der Sozialpolitik, «grüne Geldpolitik» bzw. «grüne Anlagepolitik» als Beitrag
zum Klimaschutz, einen Beitrag zur Friedensförderung durch Verzicht auf Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten oder die Mitfinanzierung der Coronapandemiekosten. All diesen und anderen Ideen nachzukommen, wäre laut Steiner «alles andere als eine gute Idee». Die SNB würde einen neuen Fokus erhalten, nämlich Gewinn erzielen zu müssen. Dies würde die SNB in ihrer Aufgabe einschränken, nämlich eine freie Geld- und Finanzpolitik zu machen. «Die Politik hat ihre Aufgaben, darf aber nicht bei jedem Problem an die vollen Kassen der SNB denken», mahnte Steiner.
Volksblatt 18.05.22 von Holger Franke, Bild Paul Trummer