Eine Erfolgs­ge­schichte, doch die Zukunft belastet

Präsident Martin Meyer und Geschäftsführer Jürgen Nigg blicken mit Stolz auf die vergangenen Jahre der Wirtschaftskammer. Doch die aktuelle Situation macht grosse Sorge.

Von Holger Franke im Volksblatt am 07. September 2022

«Volksblatt»: Herr Meyer, Anfang 2007 wurde die frühere Gewerbe- und Wirtschaftskammer (GWK) in einen privat-rechtlichen Verein – die Wirtschaftskammer Liechtenstein – überführt. 15 Jahre sind nun also vergangen: Eine Erfolgsgeschichte?

Martin Meyer:Wir dürfen mit Stolz sagen, dass die letzten 15 Jahre für die Wirtschaftskammer eine grossartige Erfolgsgeschichte sind. Niemand wusste, ob ein Neustart nach Aufhebung der Pflichtmitgliedschaft und nach erfolgter Umstrukturierung der alten GWK in die neue Wirtschaftskammer gelingen würde. Man darf nicht vergessen, dass die gewerbliche Wirtschaft im Land eine grosse Tradition hat, da die Anfänge der Wirtschaftskammer bis ins Jahr 1936 zurückreichen. Der Wandel in eine privat-rechtliche Organisation wurde 2006 von zahlreichen Unsicherheiten begleitet. 15 Jahre später stelle ich fest, dass wir über 900 Mitglieder verzeichnen und dass wir damit die zentrale Interessensvertretung für Klein- und Mittelbetriebe in unserem Land sind. Ein grosser Anteil an diesem Erfolg hat unsere Geschäftsstelle unter der bewährten Leitung unseres langjährigen Geschäftsführers Jürgen Nigg.

Man mag sich erinnern, dass der Übergang damals nicht ganz ­geräuschlos über die Bühne ging. Nach einem entsprechenden Urteil des Staatsgerichtshofes musste sich die Wirtschaftskammer anstelle ­einer Zwangsmitgliedschaft über freie Mitgliedschaften behaupten. Ist dieser Übergang aus heutiger Sicht geglückt?

Jürgen Nigg: Rückblickend gesehen haben wir diesen Übergang sehr erfolgreich bewältigt. So haben wir beispielsweise im Zug der Umstrukturierung umfangreiche, betriebswirtschaftliche Analysen getätigt. Wir sahen uns gezwungen, nachhaltige Sparmassnahmen durchzuführen, um das Weiterbestehen einer gewerblichen Vereinigung zu gewähren. Diese Massnahmen wurden alle sehr erfolgreich umgesetzt. Ausserdem haben wir damals Gespräche mit dem Ressort Wirtschaft der Regierung geführt, um für die Zukunft eine zweckgebundene Unterstützung in Form einer Leistungsvereinbarung zu erhalten. Wir waren uns sicher, dass wir ohne Leistungsvereinbarung viele Aktivitäten nicht mehr hätten erbringen können – und zwar liebgewonnene und unabdingbare Leistungen.

Ganz einfach dürfte diese Zeit nicht gewesen sein, schliesslich mussten die Gewerbetreibenden zuerst von einer Mitgliedschaft überzeugt werden. Wie konnte sich die ehemalige Gewerbe- und Wirtschaftskammer aus ihrem alten Kleid lösen?

Jürgen Nigg: Nach Auflösung der Pflichtmitgliedschaft kam es logischerweise zu einer Bereinigung bei den Mitgliedsunternehmen und somit zu Austritten aus der Wirtschaftskammer. Wir konnten die Mitgliederzahl aber relativ rasch stabilisieren und in den letzten Jahren auch immer wieder neue Mitglieder dazugewinnen. Im Vergleich zu den Strukturen der Vorgängerorganisation wurden primär die Statuten sowie unsere strategische Ausrichtung angepasst. Unser Fokus war: Bestehende Stärken erhalten und Mut für Neues beweisen. Diese Vorgehensweise wurden auch von einer breiten Mitgliederbasis abgestützt und so konnten wir die Herausforderungen jener Zeit bewältigen.

Auf welche Ereignisse bzw. Aktivitäten ist die Wirtschaftskammer ­ heute rückblickend besonders stolz?

Martin Meyer: Primär bin ich stolz auf unser Team sowie die gesamte Organisation, welche für unsere Mitgliedsunternehmen hervorragende Dienstleistungen erbringen. Gerade die letzten beiden Krisenjahre haben gezeigt, wie wertvoll eine Mitgliedschaft in der Wirtschaftskammer sein kann. Betrachtet man sich die letzten 15 Jahre insgesamt, dann haben wir insbesondere mit unserem Aus- und Weiterbildungsangebot im Land einen Meilenstein gesetzt, sei dies über unsere Ausbildungsplattform kurse.li oder mit unserer Verbundausbildung 100pro! In unseren neuen Räumlichkeiten an der Zollstrasse haben wir zudem unseren Campus installiert, welcher auch für externe Partner zur Verfügung steht. Nicht mehr wegzudenken ist auch unter Magazin «unternehmer», unser zentrales Kommunikationsmedium für die gesamte gewerbliche Wirtschaft. Als Sozialpartner hat die Wirtschaftskammer ausserdem immer wieder bewiesen, dass sie für den sozialen Frieden in unserem Land einsteht. Zusammenfassend können wir sagen, dass es in jedem Verbandsjahr immer wieder Highlights gegeben hat.

15 Jahre Wirtschaftskammer – das soll nun auch gebührend gefeiert werden – und zwar mit einer «Langen Nacht der gewerblichen Wirtschaft». Was genau verbirgt sich hinter diesem vielversprechenden Titel.

Martin Meyer: «Mit der langen Nacht der gewerblichen Wirtschaft» wollen wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen wollen wir unser 15-Jahr-Jubiläum gebührend feiern und zum anderen wollen wir den feierlichen Rahmen nutzen, um dem Gewerbe die Möglichkeit für ein gemütliches Zusammensein unter Freunden mit einem abwechslungsreichen Programm zu bieten. Die Menschen in unserem Land haben nach zwei Coronajahren Lust zu feiern. Die Veranstaltung hat im Vorfeld sehr guten Anklang gefunden, es sind nur noch wenige Restplätze frei.

Warum haben Sie diesen Rahmen für das Geburtstagsfest gewählt?

Martin Meyer: «Lange Nacht der gewerblichen Wirtschaft» tönt einfach super. Nein, ernsthaft: Wir planen eine grosse und feierliche Geburtstagsparty auf dem Lihga-Gelände im Vorfeld der diesjährigen Ausstellung. Dieser Rahmen bietet sich an, da die Wirtschaftskammer seit Beginn der Lihga in den 70er-Jahren Patronatsgeber und bewährter Partner zugleich ist. Die Lihga steht als Ausstellung symbolisch für die Leistungsfähigkeit und Vielfältigkeit der gewerblichen Wirtschaft. Dieses Setting schien uns besser zu sein als eine herkömmliche Feier in einem Saal oder in einem Festzelt.

Und was genau steht auf dem ­Programm?

Martin Meyer: Nebst einem kurzen offiziellen Teil, welcher zu einem 15-Jahr-Jubiläum gehört, werden wir unsere Gäste kulinarisch und musikalisch verwöhnen, ganz wie es sich für ein Jubiläum gehört. Ausserdem gibt es verschiedene Show-Acts, sodass auch die Unterhaltung an diesem Abend nicht zu kurz kommt. Wir werden unseren Gästen auch genügend Zeit für den persönlichen Austausch bieten. Alles in allem soll es ein kurzweiliger Abend werden, und v. a. eine lange Nacht, so wie es der Titel der Veranstaltung verspricht.

Die Zeiten ändern sich, das spüren wir, glaube ich, alle. Vor welchen ­aktuellen Herausforderungen steht die Wirtschaftskammer nun?

Jürgen Nigg: Die Kernaufgabe der Wirtschaftskammer Liechtenstein ist sicherlich die Unterstützung ihrer Mitglieder mit attraktiven Dienstleistungen sowie die Positionierung als Sprachrohr aller angeschlossenen Unternehmen in den zentralen Wirtschaftsfragen. Auch wir als Organisation müssen uns immer wieder anstrengen und unseren Mitgliedern neue Dienstleistungen bzw. echte Mehrwerte bieten. Mit einem hervorragenden Dienstleistungsangebot wird es uns aber gelingen, auch künftig Gewerbebetriebe von einer Mitgliedschaft in der Wirtschaftskammer zu überzeugen. In diesem Jahr haben wir eine besondere Neuerung lanciert: Mit unserer «Agenda Werkplatz 2025plus» bieten wir eine Plattform, um voneinander zu lernen und zu profitieren. So wollen wir das Netzwerk von Unternehmern und Partnern aus Politik und Wirtschaft fördern – zum Wohle Liechtensteins.

Und das Gewerbe: Wo drückt hier der Schuh?

Martin Meyer: Nebst den traditionellen Gewerbethemen wie öffentliche Auftragsvergaben, grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung, Fachkräftemangel, Aus- und Weiterbildung, Sozialpartnerschaft und Gesamtarbeitsverträge oder Bürokratieabbau sehen wir uns aufgrund der Coronapandemie und aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage mit Herausforderungen konfrontiert, welche unsere Betriebe an den Rand ihrer Existenz bringen können. Die wenigsten von uns haben die Wirtschaftskrise in den 70er-Jahren miterlebt. Die Situation ist aber ähnlich dramatisch. Die steigenden Energiepreise, die fehlenden Materialien, die Teuerung, steigende Materialkosten: All diese Faktoren bringen unsere Betriebe teilweise stark in Bedrängnis.

Sie haben es erwähnt: Inflation, Teuerung, Energieknappheit, gestiegene Einkaufspreise und Lohnforderungen sind die Stichworte dieser Tage. Aber wer zahlt am Ende die Zeche und wie hoch ist der Druck, der auf den Unternehmern lastet?

Martin Meyer: Der Druck ist immens. Neben wir das Beispiel der Teuerung. Unternehmer offerieren einen bestimmten Preis, teilweise einen Fixpreis, bekommen den Zuschlag und innerhalb weniger Monate gerät die gesamte Kalkulation aufgrund gestiegener Materialpreise, erhöhter Energiekosten, gestiegener Logistikkosten etc. durcheinander. In den wenigsten Fällen gelingt es einem Unternehmer, die gesamten Mehrkosten auf den Kunden zu überwälzen. Eine besondere Rolle kommt hier der öffentlichen Hand, dem Land und den Gemeinden, zu. Ich bin der Meinung, dass die öffentliche Hand in der aktuellen Krisensituation die zwischen Auftragsabschluss und Ausführung eingetretene Teuerung vollumfänglich übernehmen sollte. Die öffentliche Hand verfügt über genügend finanzielle Reserven. Dies hätte auch eine Vorbildwirkung für die Privatwirtschaft.

Aber die Arbeitnehmer haben auch Druck: Sie müssen monatlich ihre Rechnungen bezahlen – insofern ­erscheinen Forderungen nach ­hohen Lohnerhöhungen nachvoll­ziehbar. Hat der LANV bei Ihnen noch einmal angeklopft und wie ist hier Ihre Position?

Jürgen Nigg:Die Wirtschaftskammer stand immer schon und steht auch heute noch für den sozialen Frieden in unserem Land ein. Mit den Gesamtarbeitsverträgen können wir verhindern, dass Lohndumping betrieben wird. Dieser soziale Frieden kann aber nur in einer gut funktionierenden Sozialpartnerschaft erreicht werden. Voraussetzung hierfür ist, dass sich beide Verhandlungspartner um faire Bedingungen bemühen. Der LANV hat in einem Leserbrief kürzlich eine Lohnerhöhung von mindesten 3 Prozent gefordert. Es ist logischerweise Aufgabe des LANV, eine solche Forderung in den Raum zu stellen, gerade in der heutigen Zeit. Man muss jedoch wissen, dass Lohnverhandlungen nach bestimmten Kriterien ablaufen. Wir werden also sehen, ob überhaupt verhandelt wird und falls ja, was die Ergebnisse der Verhandlungen sind. Erste Rückmeldungen unserer Basis zeigen jedoch, dass das Gewerbe bei Lohnfragen aktuell keinen grossen Handlungsspielraum hat.

Angesichts der Gesamtlage: Hat das Gewerbe in Liechtenstein aufgrund der aktuellen ­Wirtschaftslage eine Zukunft?

Jürgen Nigg: Auch wenn die Aussichten getrübt sind, sind wir der Meinung, dass eine vorauseilende Hektik fehl am Platz ist. Das Gewerbe muss sich auf seine bewährten Stärken und den oft zitierten Durchhaltewillen konzentrieren, um so diese herausfordernde Zeit zu überbrücken. Zur Verantwortung eines jeden Unternehmers gehört, dass er alles unternimmt, um sowohl heute als auch zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben. Das verlangt Innovation und die Steigerung der Produktivität sowie eine starke Kundenorientierung. Dies alles geht nicht ohne die Weiterentwicklung des Wissens und Könnens der Mitarbeiter. Entscheidend für den künftigen Erfolg des Gewerbes sind somit eine kontinuierliche Weiterentwicklung und der feste Wille, sich den bietenden Chancen zu stellen und diese auch wahrzunehmen.

Die Wirtschaftskammer wehrt sich grundsätzlich gegen eine Verbotskultur. Was ist mit den fossilen Energieträgern – ist die Wirtschaftskammer somit gegen die Energiewende?

Martin Meyer: Wir vertreten eine wirtschaftsliberale Wirtschaftspolitik und sind der Meinung, dass staatliche Verbote diesem Grundverständnis entgegenstehen. Deshalb sprechen wir uns gegen eine staatlich verordnete Verbotskultur aus. Was bringt es, auf dem Papier Ölheizungen zu verbieten, wenn diese am Markt seit mehreren Jahren nicht mehr nachgefragt werden? Oder nehmen wir das Beispiel Gas: Bis im letzten Jahr wurde uns Gas von der Politik noch als saubere Energie verkauft. Ein Verbot von fossilen Energieträgern ist auch mit vielen offenen Fragen verbunden. Was macht z. B. ein Hausbesitzer, dem die Ölheizung aussteigt? Muss er diese ersetzen? Darf er sie reparieren? Wenn er sie ersetzen muss: Was macht er, wenn alternative Heizsysteme und Handwerker nicht verfügbar sind? Solche und viele andere Fragen haben wir im Rahmen der aktuell laufenden Vernehmlassung bei der Regierung eingebracht. Damit man uns richtig versteht: Das Gewerbe ist logischerweise nicht gegen die Energiewende, aber sie muss mit Massnahmen umgesetzt werden, welche verhältnismässig und in der Praxis auch umsetzbar sind. Ausserdem müssen Härtefälle, vor allem im privaten Wohnungsbau, abgefedert werden. Damit der sogenannte European Green Deal auch für unser Land von Anfang an eine Erfolgsstory wird, müssen ökologische und ökonomische Ziele in Übereinstimmung gebracht werden. Der Schutz der Wettbewerbsfähigkeit unserer Gewerbebetriebe muss im Fokus stehen, und die Leistungsfähigkeit der Unternehmen darf nicht durch zusätzliche Belastungen und Verbote gefährdet werden.

Sie haben kürzlich die Agenda Werkplatz 2025plus verkündet: Wie muss man sich vor diesem ­Hintergrund das zukünftige Rollenverständnis der Wirtschaftskammer vorstellen?

Martin Meyer: Die Wirtschaftskammer hat mit der «Agenda Werkplatz 2025plus» erstmals eine Mittelfriststrategie erarbeitet, welche sowohl Massnahmen zur Stärkung des Werkplatzes Liechtenstein als auch Massnahmen für die Weiterentwicklung der Wirtschaftskammer als Organisation enthalten. Mit diesem Leitfaden verfügen wir über ein Arbeitsinstrument, mit welchem wir Zukunft und Fortschritt für unseren heimischen Werkplatz bauen. Wir gehen von einem Selbstverständnis aus, bei welchem auch in Zukunft effiziente und kundenorientierte Serviceleistungen im Mittelpunkt unserer Tätigkeiten stehen. Um die Kundenbeziehung noch stärker in den Fokus zu stellen und den Mitgliedern rasche und kompetente Beratungsleistungen zu bieten, sollen unsere internen Prozesse und Abläufe optimiert werden. Neben der direkten Ansprache mittels Beratung im Haus oder per Telefon werden wir auch weitere Kommunikationskanäle prüfen. In der schnelllebigen Zeit ist eine rasche Antwort matchentscheidend. Ausserdem pflegen wir seit Jahren intensive Allianzen und Partnerschaften zum Wohl der Mitglieder. Im Zentrum stehen dabei die Unterstützung und die Förderung der gewerblichen Wirtschaft in Liechtenstein. Stellvertretend möchte ich an dieser Stelle die Liechtensteinische Landesbank erwähnen. Die Kooperation zwischen uns und der Liechtensteinischen Landesbank als Premium-Partnerin besteht seit 2016 und wird nach erfolgreicher Vertragsverlängerung zu Beginn dieses Jahres auch künftig weitergeführt. Es gilt, konstruktive Kräfte zu bündeln und gemeinsam die Zukunft des Werkplatzes zu gestalten. Innovationen entstehen meines Erachtens auch durch Austausch und Kooperationen zwischen allen Stakeholdern im Land.

Entscheidend ist aber die ­Umsetzung einer Strategie: Welche ­zentralen Inhalte sind ­vorgesehen und welche Ziele wollen Sie damit erreichen?

Jürgen Nigg: Mit diesem anspruchsvollen Projekt sprechen wir die Zukunftsperspektiven für das Gewerbe an und formulieren konkret die notwendigen Basisarbeiten, um unsere Zielsetzungen zu erreichen. Eines der wichtigsten strategischen Ziele ist dabei die Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, damit die Gewerbebetriebe möglichst optimale Voraussetzungen für ihre Produktion und ihre Dienstleistungen vorfinden. Weitere Themenbereiche, bei welchen wir Verbesserungen erreichen wollen, sind die Digitalisierung im Gewerbe, die Förderung der Aus- und Weiterbildung, die Bekämpfung des Fachkräftemangels, die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen oder die interne Weiterentwicklung der Wirtschaftskammer als Organisation.

Und Ihren Mitgliedern – was bieten Sie denen?

Jürgen Nigg:Wer der Wirtschaftskammer als Mitglied angehört, der weiss, dass dieser starke Wirtschaftsverband seine Interessen vertritt. Insbesondere in einer schwierigen Zeit wie dieser ist eine starke Interessensvertretung wichtiger denn je. Interessenvertretung heisst, die Anforderungen und Anliegen der gewerblichen Wirtschaft gegenüber anderen Interessenvertretungen und Verbänden sowie gegenüber Regierung und Behörden darzulegen, zu argumentieren und sie letztlich nach Möglichkeit im Interesse der Mitgliedsbetriebe auch durchzusetzen.

Viele von uns haben im Hinblick auf die kommenden Monate ein ­tendenziell ungutes Gefühl im Bauch. Wie blicken Sie als Präsident der Wirtschaftskammer auf die kommenden Monate?

Martin Meyer:Die kommenden Monate werde für alle Beteiligten, egal ob Unternehmer, Arbeitnehmer, Privatperson oder Politiker, eine grosse Herausforderung werden. Die aktuelle geopolitische Lage und die wirtschaftlichen Turbulenzen beeinflussen unsere gesamte Gesellschaft in einem Ausmass, welches die wenigsten von uns erlebt haben. Deshalb habe ich nicht unbedingt ein ungutes Gefühl im Bauch, aber ich habe vor den kommenden Monaten eine gehörige Portion Respekt, da wir alle nicht wissen, was noch auf uns zukommen wird und wie wir mit der Krise umgehen werden. Wenn alles nur noch immer teurer und die Angebote immer knapper werden, besteht mittelfristig die Gefahr von Verteilkämpfen, was unsere Gesellschaft speziell fordern wird. Wir müssen uns in den Betrieben deshalb so gut es geht auf die veränderten Rahmenbedingungen einstellen und dürfen auch unseren Mut und unseren Glauben an die eigenen Stärken nicht verlieren.

Und was bedeutet dies konkret für das einheimische Gewerbe?

Jürgen Nigg: Der Liechtensteinische «Gwerbler» ist ein Unternehmer – und zwar einer, bei dem der Kopf, das Herz und die Hand sehr nahe beieinander sind. Diese Eigenschaft zeigt sich täglich im operativen Anpacken des Unternehmers, in der steten strategischen Auseinandersetzung mit seiner Firma und im vertrauensvollen Umgang mit seinen Kunden und Mitarbeitenden. Meist verfügen Gewerbebetriebe nicht über Hochglanzbroschüren oder über detaillierte Business-Pläne, aber dennoch weiss der Unternehmer genau, wo seine Stärken und Schwächen liegen und wie er Chancen und Gefahren seines Marktes einschätzen muss. Er weiss, dass Fairness und gegenseitiges Vertrauen matchentscheidend für sein Überleben sind. Diese Fähigkeiten machen unsere Gewerbler zu hervorragenden Dienstleistern und diese Erfolgsfaktoren werden auch unseren Betrieben helfen, die nächsten Monate zu überstehen.

Und bei der Wirtschaftskammer selbst? Können Sie schon ­absehbare wesentliche ­Neuerungen verraten?

Martin Meyer: Wir werden unser Dienstleistungsangebot schrittweise ausbauen. Aktuell planen wir neue und bedürfnisgerechte Schulungsangebote über unsere Bildungsplattform kurse.li. Ausserdem sind wir dabei, neue Kooperationen abzuschliessen. Unsere Kooperationspartner werden unseren Betrieben echte Mehrwerte liefern. Im Innenverhältnis werden wir, wie bereits ausgeführt, unsere Prozesse und Arbeitsabläufe optimieren, um die Dienstleistungs- und Servicequalität zu steigern. Wir werden den Beweis antreten, dass sich eine Mitgliedschaft in der Wirtschaftskammer garantiert lohnt. Es stehen also spannende Monate an, verbunden mit der Hoffnung, dass sich die aktuelle Wirtschaftslage langsam entspannen wird, ganz nach dem Motto des Gewerbes: Besinnung auf Stärken und Mut für Neues!