Die Büchse der Pandora

Gastkommentar von Markus Kaufmann, Präsident des Casinoverbands Liechtenstein,
im Wirtschaftregional vom 2. Juni 2023

Einer der wesentlichen Gründe für das «kleine Wirtschaftswunder», das Liechtenstein seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt, «ist die konsequente Ausnützung der Standortbedingungen. Dazu zählen die stabile Sozial-, Rechts- und Wirtschaftsordnung sowie die hohe politische Stabilität.» Dieses Zitat stammt  aus der Broschüre «Begegnung mit einem Kleinstaat» auf der Website der Regierung des  Fürstentums Liechtenstein. Unmittelbar anschliessend ist in dieser Publikation ausgeführt, dass eine «sehr
liberale Steuergesetzgebung» Anreize für den Aufbau von Unternehmen schafft.

Wahre Worte, die kaum jemand ernsthaft in Zweifel ziehen würde und die sich durch harte Zahlen und Fakten transparent belegen lassen. Bisher jedenfalls. Denn die vom Wirtschaftsministerium angestrebte Abänderung des Geldspielgesetzes, mit anderen Worten die drastische Erhöhung der Abgabesätze, könnte dieses Credo der Liechtensteiner Wirtschaftspolitik ad absurdum führen.

Die umsatzstarken Liechtensteiner Casinos bezahlen heute eine Abgabe von knapp 40 Prozent auf den  Bruttospielertrag. Das ist ein Drittel mehr, als die Spielbanken in Österreich, wo eine Flat Tax von 30  Prozent gilt, an den Staat abgeben. Gegenüber der Schweiz haben die hiesigen Casinos zwar noch einen leichten Standortvorteil. Dieser würde mit der angestrebten Gesetzesänderung aber zu einem Standortnachteil – mit entsprechend negativen Auswirkungen auf das Angebot und die Attraktivität der
Liechtensteiner Casinos.

Diese Steuererhöhung beträfe zwar «nur» die Casinos. Doch einerseits sei die Frage erlaubt, welchen  Vorteil Liechtenstein daraus zöge, einer Branche, die für rund 50 Millionen Franken an Steuereinnahmen pro Jahr sorgt, dauerhaft zu schaden und sie in ihrem Handeln fundamental zu beschneiden?  Wohlgemerkt nur wenige Monate, nachdem 73,3 Prozent der Stimmberechtigen ein klares Bekenntnis zum Casinostandort Liechtenstein abgegeben haben. Andererseits stellt sich auch die Frage, ob die Erhöhung der Geldspielabsätze nicht ein erster Schritt hin zur Abkehr von der «liberalen Rechts- und Wirtschaftsordnung» und der «hohen Stabilität» ist, die Liechtensteins «kleines Wirtschaftswunder» mit den niedrigen Steuern als Standortvorteil erst ermöglicht haben?

Als Casinoverband sprechen wir uns dagegen aus, ohne Not und Zwang die Büchse der Pandora zu öffnen. Wir sind der Ansicht, dass der Grundsatz «gleiches Recht für alle» auch für unsere Branche zu gelten hat, und vertrauen darauf, dass Liechtensteins politische Entscheidungsträger dies genauso sehen.