Dass sie sich einer Vollversicherung anschliessen können, war das Hauptanliegen von über 600 Künstlerinnen und Künstlern, welche die
Interessensgemeinschaft für Kunst und Kultur mittels einer Onlineumfrage eruierten. Nun soll ein passendes Modell gefunden sein.
Die IG Kunst und Kultur, kurz IG KuK, wurde vor drei Jahren gegründet, im September 2020, kurz nach der ersten Hoch-Zeit der Pandemie. «Das wichtigste Ziel damals war, Aufmerksamkeit zu wecken dafür, dass Künstlerinnen und Künstler auch professionelle, beruflich tätige und damit auch im wirtschaftlichen Sinne arbeitende Menschen sind, von denen viele sehr starke Einkommensverluste erleiden mussten», sagt IG-Präsidentin Katrin Hilbe. Damals wurde die Interessengemeinschaft vom Amt für Volkswirtschaft an das
Amt für Kultur verwiesen. So konnten zwar einzelne Unterstützungslösungen, beispielsweise auf Gemeindeebene, gefunden werden, doch es blieb schwer zu vermitteln, dass Profikünstlerinnen und -künstler eine Branche darstellen: «Fakt blieb, dass für das Amt für Volkswirtschaft Profikünstlerinnen und -künstler nicht als Branche galten», so Hilbe. «Wir haben uns damals auf die Fahne geschrieben, dass sich
dies ändern muss.» Da Kunstund Kulturschaffende Profis sind, die auch von ihrer Kunst leben. «Dafür braucht es ein Bewusstsein in der Gesellschaft, denn die Ansichten der Politik leben nicht im luftleeren
Raum, sondern drücken eine gesamtgesellschaftliche Einschätzung aus.»
Aktiv den Dialog gesucht
Was konkret ist in den vergangenen drei Jahren nun geschehen? «Viel», sagt Katrin Hilbe. So hat die IG eine Onlinebefragung von über 600 künstlerisch Tätigen erstellt, um endlich eine genauere Datenlage
nicht nur über die wirtschaftliche Situation, den Ausbildungs- und Werdegang von Kunstschaffenden zu erhalten, sondern um zu erfragen, was den Künstlerinnen und Künstlern wichtig ist, worum die IG
KuK sich kümmern sollte. «Wir haben von Anfang an sehr aktiv den Dialog mit Institutionen, der Politik etc. gesucht und pflegen diese Kommunikation weiterhin, denn die IG KuK versteht sich dezidiert als Lobbyorganisation für die Belange der professionellen Kunst- und Kulturschaffenden in Liechtenstein», so
Katrin Hilbe. Eines der Hauptanliegen, welches aus der Onlinebefragung hervorging, ist das Fehlen einer spezifischen sozialen Vorsorge, zugeschnitten auf die Bedürfnisse und die Lebenssituation von Kunstschaffenden. Dieser Aufgabe hat sich die IG KuK in den letzten Jahren gewidmet, und das Resultat dieser Bestrebungen wird nun demnächst «endlich spruchreif». Angelehnt an die llb-Vorsorgestiftung, werde in Kürze ein neues Modell angeboten, welches Mitgliedern der IG KuK ermöglicht, sich einer flexiblen Pensionskassenlösung mit allen Vorteilen und Sicherheiten, die eine hier im Land
verankerte Vorsorgestiftung bieten kann, anzuschliessen. In erster Linie spricht dieses Modell jüngere Kunstschaffende an. Es lohnt sich aber auch für «ältere» Semester», sich damit auseinanderzusetzen, wie Katrin Hilbe sagt. «Sobald alle Vertragsmodalitäten abgeschlossen sind, werden wir in Zusammenarbeit und im Dialog mit der llb-Vorsorgestiftung dieses neue Modell publik machen und es vor allem gegenüber der Kulturbranche kommunizieren und überzeugend vertreten.»
Neue Sektion der WKL: «Kunst und Kultur»
Abgesehen von der sozialen Vorsorge hat die IG einen weiteren «Meilenstein» erreicht, wie es die IG-Präsidentin nennt: Seit April 2023 gibt es in der Wirtschaftskammer Liechtenstein eine neue Sektion «Kunst und Kultur». Die Interessengemeinschaft habe mit der Wirtschaftskammer den Kontakt gesucht, um genau den Aspekt des Wirtschaftlichen von Kulturschaffenden zu stärken. «Nicht nur was deren eigenen wirtschaftlichen Beitrag zum Bruttosozialprodukt darstellt, sondern um uns auch mit anderen Branchen zu vernetzen.» Denn die Probleme von selbstständigen Künstlerinnen und Künstlern sind oftmals gar nicht so viel anders als die von anderen Selbstständigen. «Und wir sind bei der Wirtschaftskammer auf offene Ohren gestossen», freut sich Katrin Hilbe. Die Möglichkeit, nun einer
eigenen Sektion beizutreten, verstärkt die Position einer ganzen Branche. Damit kann sich die Sektion über den Sektionsvorstand − gebildet aus Mitgliedern des Vorstands der IG KuK – für die Belange aller Kunstschaffenden ein deutliches Gehör verschaffen. «Und sollte eine ähnliche Situation wie in der Pandemie auftreten − Lockdown, Wegbruch von Einnahmen, Auftritten etc. − dann haben wir nun
eine starke Lobbyorganisation hinter uns, die uns beistehen wird, unsere Interessen zu vertreten und zu verteidigen.»
Verständnisvolle Kommunikation
Den Weg bis zu dieser neuen Sektionsgründung beschreibt Katrin Hilbe nicht als beschwerlich, aber vielmehr als langwierig. Ganz nach dem Motto: Gut Ding will Weile haben. Was die Gespräche enorm
erleichterte, war die Offenheit der Mitglieder des Wirtschaftskammervorstandes, welche sie für die Anliegen der IG hatte, wie Hilbe sagt. «Es wurde verstanden, dass Kunstschaffende ein professionelles Skill-Set haben, zumeist eine Hochschulausbildung, und es sich um komplexe Berufsgattungen handelt.» Der Unterschied zum Amateur oder der Amateurin, der bzw. die in der Freizeit Bilder malt oder auf der Bühne steht, und den Menschen, die das beruflich tun, ist in wirtschaftlicher Hinsicht von grundlegender Bedeutung. Wie es allgemein um den Stellenwert von Kunst und Kultur in Liechtensteins Gesellschaft und Politik steht, kann Katrin Hilbe nur schwer einschätzen. Grundsätzlich habe Liechtenstein für seine Kleinheit eine unglaubliche Fülle an Kulturveranstaltungen, Kunstschaffenden, Auftrittsmöglichkeiten und
Ähnlichem. Und zwar in allen Bereichen, seien dies Liebhaberveranstaltungen, professionelle Darbietungen und alles dazwischen. «Dass die professionellen Kulturschaffenden relevant zum
Gesellschaftswesen beitragen, sowohl wirtschaftlich aber gerade auch ideell, das würde Menschen wohl erst so richtig auffallen, wenn mal alles wegfallen würde», so Hilbe. Kein Buch, kein Theater, keine Musik, kein Film oder Fernsehen − nicht einmal der Tatort! Da würde es auf einen Schlag sehr klar werden, wie stark die Kultur Teil des gesellschaftlichen Lebens und der Identität ist. «Was haben wir denn während des Lockdowns gemacht ausser zu lernen, das beste Sauerteigbrot zu backen? Lesen, Musik hören, Netflix gucken.»
Appell der IG: «Fragt uns!»
«Steter Tropfen höhlt den Stein» lautet Katrin Hilbes Motto. «Wir wollen erreichen, dass die IG KuK immer in das Gespräch miteinbezogen wird, wenn es etwas im Kulturbereich zu diskutieren gibt, gerade für die Institutionen und die Politik», sagt sie und appelliert: «Fragt uns, bezieht uns ein, wir können viel beisteuern!» Um die IG KuK weiteren interessierten Wirtschaftskammermitgliedern vorzustellen,
veranstaltet sie am 20. Februar 2024, um 18 Uhr einen Kickoff-Event «Knackig, sexy, innovativ» in den Konferenzräumen der Wirtschaftskammer.
Vaterland, 24.10.2023 von Bettina Stahl-Frick