«Familie und Beruf ist immer ein Spagat»

Politik, Gesellschaft und Wirtschaft müssen an einem Strang ziehen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, lautete die Conclusio der Veranstaltung «Familie und Beruf». Als Best Practice dienen die gestern mit einem Preis ausgezeichneten Unternehmen.

Deutlicher könnten es die Zahlen nicht aufzeigen: Die meisten Frauen reduzieren mit der Familiengründung ihr Arbeitspensum deutlich. «Bei Frauen im Alter von 35 Jahren nimmt die Vollzeitquote deutlich ab, das bleibt bis zur Pensionierung bestehen», schilderte Doris
Quaderer, Projektleiterin der Stiftung Zukunft.li und Moderatorin des gestrigen Anlasses «Familie und Beruf» im SAL in Schaan. Anders als Männer, die weitgehend weiter in Vollzeit arbeiten, steigen die Mütter also nicht mehr voll ins Erwerbsleben ein. Das ist problematisch, gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels. Wo also soll man ansetzen, um Eltern und insbesondere Frauen eine bessere Balance zwischen Berufs- und Familienleben zu ermöglichen? Eine Blitzumfrage unter den Anwesenden zeigte, dass 31 Prozent die Unternehmenskultur und weitere 30 Prozent das traditionelle Rollenbild als grösste Herausforderung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehen, 26 Prozent nannten fehlende Betreuungsplätze und 14 Prozent die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Dem konnte Isabell Schädler, stellvertreten-
de Geschäftsführerin der Wirtschaftskammer, in der Podiumsdiskussion nur beipflichten: «Das traditionelle Familienbild wird bei uns noch sehr gelebt.» Belgin Amann, Vorsitzende des Frauennetzes, glaubt jedoch, dass hier gesetzliche Rahmenbedingungen eine Veränderung bringen könnten.

Elternzeitvorlage soll noch in diesem Jahr kommen

Als «Meilenstein» betrachtet Fredy Litscher vom Liechtensteinischen ArbeitnehmerInnenverband (LANV) diesbezüglich die Einführung der bezahlten Elternzeit und eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs: «Es ist ein ausgeglichener Kompromiss und ein Winwin-win-Situation.» Arbeitnehmende und gerade Geringverdienende hätten Wahlfreiheit, Arbeitgeber ein «Riesenzuckerl» im Wettbewerb um
Arbeitskräfte und der Staat mehr Steuereinnahmen. Ganz so einfach ist es denn aber doch nicht, schon in der Vernehmlassung zeigten sich divergierende Interessen. Auch im Landtag gab es noch einige Änderungswünsche. Regierungschef-Stellvertreterin Sabine Monauni stellte gestern in Aussicht, die Vorlage für die Zweite Lesung noch in diesem Jahr verabschieden zu wollen. Gemeinsam mit der Wirtschaft werde die Regierung prüfen, wie man die Elternzeit möglichst so umsetzen kann, dass auch kleine Betriebe Schritt
halten können.

Firmen bemühen sich für bessere Vereinbarkeit

Isabell Schädler wiederum stellte klar, dass die Wirtschaftskammer kein Problem mit der Elternzeit an sich habe. Es seien im Prozess aber viele arbeitsrechtliche Detailfragen aufgekommen, deren Umsetzung noch nicht klar ist. Schädler befürchtet, dass die Bürokratie in
den Unternehmen steigen wird. Sie geht davon aus, dass mehr als 50 Prozent der Anspruchsberechtigten die bezahlte Elternzeit beziehen werden. Das werde Betriebe vor grössere Herausforderungen stellen. Schädler stellte aber auch klar: «Gerade das Gewerbe
wird bei uns sehr altertümlich dargestellt, das ist nicht die Realität.» Viele Firmen seien im Kampf um Arbeitskräfte bemüht, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen und hätten beispielsweise eine 4,5-Tage-Woche eingeführt. Auch Litscher vom LANV beobachtete eine Verbesserung im Gewerbe. «Aber es braucht natürlich Aufklärungsarbeit: Elternzeit kann ja nicht nur am Stück,
sondern auch in Teilzeit, wochen- oder tageweise genommen werden», so Litscher. Aus Sicht des LANV sei es aber generell nötig, die Arbeitszeit zu verringern, was auch die Vereinbarkeit verbessere. Auch eine flexiblere Arbeitzeitregelung, bezahlte Stillzeit, Lohngleichheit oder Teilzeitangebot für Männer und genügend bezahlbare ausserhäusliche Betreuungsplätze sieht er als weitere Bausteine. Belgin Ammann vom Frauennetz regt sogar einen gesetzlichen Anspruch auf Teilzeit an. Sie wisse von Männern, deren Arbeitgeber ein verringertes Pensum abgelehnt hätten. «Es geht darum, dass Familien Wahlfreiheit haben», findet auch Litscher.
Das bekräftigte die Wirtschaftsministerin. «Kein Modell ist perfekt und in jeder Lebensphase ist ein anderes Modell passender. Aber Familie und Beruf wird immer ein Spagat sein», so Monauni. Zudem sei nicht nur die Politik gefragt, auch Unternehmen müssten eine Arbeitskultur schaffen, die es den Mitarbeitenden ermöglicht, Familie und Beruf in Einklang zu bringen, ohne ständig unter
Druck zu geraten. Wie das gehen könnte, zeigten einige BestPractice-Beispiele, die gestern ausgezeichnet wurden.

Vaterland, 8.5.2024 von Daniela Fritz