Die Sektion Gewerbliche Industrie Liechtenstein (GIL) der Wirtschaftskammer Liechtenstein lud gestern Abend zum traditionellen NeujahrsapĂ©ro in den Vaduzer Saal ein. «Markt und Marktversagen» lautete der Themenschwerpunkt. Einerseits wurde auf das vergangene Wirtschaftsjahr zurĂŒckgeblickt, andererseits stand die Zukunft des Wirtschaftsraum Liechtenstein im Mittelpunkt.
Zu Beginn des Abends richtete GIL-VizeprÀsident Gieri Blumenthal Grussworte an das Publikum und erklÀrte, dass der diesjÀhrige Anlass bereits zum zwanzigsten Mal stattfinde. Doch im Unterschied zu den Vorjahren habe man heuer nicht bloss einen Referenten eingeladen, sondern mit Wirtschaftsminister Daniel Risch sowie dem Think Tank Stiftung Zukunft.li ein komplettes Team an Rednern.
Bedeutung des Sektors Industrie in der Wirtschaft
Risch machte den Auftakt und fasste die jĂŒngste Wirtschaftsentwicklung Liechtensteins kurz zusammen: «Ich kann als Wirtschaftsminister immer mit Stolz auf Auslandsreisen verkĂŒnden, dass Liechtenstein eines der höchstindustrialisierten LĂ€nder der Welt ist.» In Liechtenstein nehme der Wirtschaftssektor Industrie einen gewichtigen Anteil an der Bruttowertschöpfung ein. Im Jahr 2017 habe dieser Anteil mit 47 Prozent sehr hoch gelegen. Die Bruttowertschöpfung habe im Jahr 2017 rund 6,2 Milliarden Franken betragen. 2017 sei sie um 4 Prozent gegenĂŒber dem Vorjahr und damit stĂ€rker als im Jahr 2016 gewachsen. Die Wertschöpfung des Industriesektors habe insgesamt 2,9 Milliarden betragen und sei um 11,7 Prozent gestiegen. «Es ist wichtig, diese WirtschaftsqualitĂ€t hierzulande weiter hochzuhalten», sagte er.
Als zentrale Zukunftsprojekte des Landes bezeichnete er die Investitionen in die Infrastruktur des Landes. Hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur bestehe dringender Handlungsbedarf. «Seit den 70er-Jahren wurde am bestehenden Verkehrsnetz kaum etwas verĂ€ndert, obwohl sich die Wirtschaft seither stark gewandelt hat und tĂ€glich eine Vielzahl an Pendlern nach Liechtenstein kommt», sagte Risch. Die digitale Infrastruktur werde mit dem Glasfaser-Ausbau kontinuierlich angepasst. Beim Thema 5G gebe es in der Bevölkerung zwar noch vereinzelt Vorbehalte, die Regierung sei aber bemĂŒht darum, diese Ăngste ernst zu nehmen und AufklĂ€rungsarbeit zu leisten.
«Befinden uns mitten im demografischen Wandel»
Den Fragen der Zukunft nahm sich anschliessend auch der Think Tank Stiftung Zukunft.li um StiftungsratsprĂ€sident Peter Eisenhut, GeschĂ€ftsfĂŒhrer Thomas Lorenz und Projektleiter Peter Beck an. Eingangs erlĂ€uterte Eisenhut in seinem Referat die Leistung der Marktwirtschaft sowie die Bedeutung der «unsichtbaren Hand», die den Markt dezentral regle. Anschliessend erklĂ€rte er die Rolle des Staates sowie der Zivilgesellschaft, wenn der Markt versage.
Lorenz sprach in diesem Kontext die gesellschaftliche Herausforderung «Alterspflege und Betreuung» an: «Wir befinden uns schon mitten in der demografischen Entwicklung», sagte er. Die Alterung der Gesellschaft sei ein Fakt und fĂŒhre zu einem FachkrĂ€ftemangel in der Pflege. Hier könne das Zeitvorsorge-Modell Abhilfe schaffen: Zeitvorsorge-Modelle, wie sie in den letzten Jahren auch in den NachbarlĂ€ndern entwickelt wurden, hĂ€tten das Potenzial, neue Freiwillige fĂŒr die Altersbetreuung zu rekrutieren. Das Grundkonzept solcher Modelle liege darin, mit niederschwelliger Hilfe dazu beizutragen, dass Ă€ltere Menschen sozial integriert blieben und lĂ€nger in ihrem Zuhause leben könnten. «Frewillige erhalten mit ihrer Leistung Zeitgutschriften, die sie zu einem spĂ€teren Zeitpunkt fĂŒr den eigenen Konsum von Betreuungsleistungen einlösen können», erklĂ€rte er. Projektleiter Peter Beck beleuchtete abschliessend das Marktversagen beim Thema Verkehr: «Wir sind Europameister bei der Motorisierungsquote der BĂŒrger», sagte er. Die Folge sei Stau im Berufsverkehr und damit eine GefĂ€hrdung der Planungssicherheit und Erreichbarkeit fĂŒr Unternehmen und Arbeitnehmer. Als Lösung sehe die Stiftung Zukunft.li nutzungsabhĂ€ngige Abgaben statt fixer Steuern vor. «Road Pricing» nennt sich diese Idee, also eine Lenkungsabgabe fĂŒr Individualverkehr. (rpm)
Vaterland, 14.01.2020, Bild Roland Rick