Mit geballten Kräften gegen die Krise: Läden hoffen auf den Zusammenhalt

Stärke Plötzlich sind die Läden geschlossen. Doch auch in Zeiten des Coronavirus muss es weitergehen. Liechtensteins Unternehmen versuchen mit ungewöhnlichen Methoden, das Beste aus der Lage zu machen. Hier und da gibt es erste Erfolge.

Es fällt dieser Tage schwer Mut zu machen. Die all-abendlichen Nachrichten rund um das Coronavirus lösen Ängste aus. Zukunftsängste. Existenzängste. Sorgen um die eigene Gesundheit und um die der eigenen Familie, von Freunden und Bekannten. Positiv nach vorne blicken – sagt man in schwierigen Zeiten nur allzu gern. Doch das fällt schwer. Auch Liechtensteins Gewerbe plagen diese Sorgen. Nur allzu einfach wäre es, den Kopf in den Sand zu stecken. Doch es geht auch anders – muss es einfach. «Man spürt bei vielen das Unternehmerblut, indem sie nach vorne schauen und auch neue Ideen einbringen», fasst Jürgen Nigg, Geschäftsführer der Wirtschaftskammer gegenüber dem «Volksblatt» zusammen. Natürlich gibt es nach den Ereignissen der vergangenen Wochen so etwas wie eine Schockstarre, doch bei vielen Unternehmen ist der Blick bereits nach vorne gerichtet und nun besteht in die Hoffnung in der Solidarität, die sich jetzt schon vielfach abzeichnet. «Bitte lasst diesen jetzigen Zusammenhalt nicht eine Momentaufnahme sein. Berücksichtigt in Zukunft bitte das Gewerbe in Liechtenstein, den Handel, die Gastronomie, einfache alle Betriebe», appelliert Jürgen Nigg.

Digitalisierung in wenigen Tagen

Es geht um den Erhalt der Arbeitsplätze. Nicht mehr und nicht weniger. Jetzt müssen alle zusammenhalten. Und damit Kunden und Unternehmer auch in diesen Tagen besser zusammenfinden, hat Liechtenstein Marketing gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Liechtenstein spontan die Plattform www.liechtenstein.li/zemma ins Leben gerufen. «Wir sind stolz, dass dies innert kürzester Zeit entstehen konnte. In den ersten Tagen haben sich bereits mehr als 120 Unternehmer, Dienstleister und Gastronomen registriert – und es werden täglich mehr», fasst Nigg zusammen. Vieles findet sich auf der Plattform bereits. Neben bereits bekannten Nahrungsmittel- und Getränkelieferern gibt es aber auch einige kreative Ansätze, wie Unternehmen auch unter Einhaltung der aktuellen Vorschriften versuchen, das Beste aus der Lage zu machen – und das mit teils atemberaubender Geschwindigkeit, zum Beispiel auch im Hinblick auf die lange diskutierte Digitalisierung. «Viele Geschäfte haben ihre Geschäftsmodelle in den letzten Tagen komplett umgestellt und bieten nun auch Onlineshops, Zustellservices oder kontaktlose Abholdienstleistungen an, um den Betrieb zumindest teilweise aufrechtzuerhalten, aber auch für die Zeit danach zu positionieren», so Nigg.

Von Facebook bis «Zerrupfte Sau»

Die «Zeit danach» – wenn sie nur schon da wäre. Denn Sorgen haben derzeit alle. Foto Kaufmann in Schaan ist so ein Beispiel: Nur sieben Wochen nach der Neueröffnung musste das Geschäft zwangsweise nun wieder geschlossen werden. «Den Kopf in den Sand stecken, wäre die falsche Strategie und so krempeln wir die Ärmel hoch um das Bestmögliche daraus zu machen. Resignation ist jetzt die falsche Einstellung», erklärt Inhaber Hans-Jörg Kaufmann. «Wir denken positiv und krempeln die Ärmel hoch, was nützt es, den Kopf in den Sand zu stecken? Auch wenn die Situation für uns äussert schwierig ist, weil wir mit einem geschlossenen Geschäft keine Einnahmen mehr machen können, schauen wir nach vorne», erklärt Linda Sieber von Brogle Fashion. «Es ist sicher nicht einfach mit der jetzigen Situation. Den Kopf in den Sand stecken nützt aber nichts, wir arbeiten aktiv daran, diese Zeit gut zu überstehen», sagt Wilfried Gangl, Geschäftsführer von Spielplus. «Selbstverständlich krempeln wir die Ärmel hoch und setzen alles daran, damit unsere Kunden weiterhin die Freude an Blumen und Pflanzen geniessen können und dass wir unsere Arbeitsplätze gewährleisten können», so Auhof-Inhaberin Marion Real. Diese und zahlreiche anderen Rückmeldungen aus dem heimischen Gewerbe erreichten das «Volksblatt» gestern. Von allen ist herauszuhören, dass bisherige Geschäftsmodelle bis ins Mark getroffen sind. Geteiltes Leid ist nicht halbes Leid. Es macht es nicht besser. Sich im Elend zu suhlen, hilft niemandem. «Man spürt bei vielen das Unternehmerblut», hatte Jürgen Nigg gesagt – und bei vielen ist es tatsächlich so. Plötzlich klappt auch die Digitalisierung, ein schwieriges Kapital besonders für kleinere Unternehmen. «Innert kürzester Zeit haben wir einen Online-Webshop auf die Füsse bzw. ins Netz gestellt, in dem man die Produkte, die wir im Geschäft anbieten, auch von zu Hause aus einkaufen kann», berichtet Hans-Jörg Kaufmann. Die erste Bestellung eines Kunden folgte schon nach einigen Stunden. Viele Produkte finden sich im Schaufenster, können dort fotografiert und per E-Mail bestellt werden – die Lieferung erfolgt nach Hause. Neue Wege geht man auch bei der Jehle Garten + Floristik AG. Dort wurde ein Abholservice eingerichtet, welcher vor dem Geschäftshaus mit fünf Abholstationen gekennzeichnet ist. «Der Kunde kann telefonisch oder per Mail bestellen. Wir vereinbaren dann einen Abholtermin, teilen die Abholplatznummer mit, legen die Rechnung mit Einzahlungsschein dazu, oder wir rechnen über die Kreditkarte ab», erklärt Geschäftsführerin Petra Jehle. Aber auch per WhatsApp sind Bestellungen möglich. Der Austausch mit Fotos der gewünschten Objekte klappt auch hier. Hannelore Mode in Schaan bietet einen Heimlieferservice und telefonische Beratung an, zudem ist ein Onlineshop installiert und es stehen Geschenkgutscheine, Lieferungen und Geschenklieferungen zur Verfügung. «Diese Massnahmen müssen zuerst bei unseren Kunden ankommen und dann wissen wir mehr», erklärt Herbert Steffen, Geschäftsführer 1912 Modehaus Hannelore. Doch auch hier freut man sich darüber, bereits innert kurzer Zeit erste Lieferungen ins Haus oder per Post zugestellt bekommen zu können. Bestmöglich eingestellt hat man sich auch bei Mikado. «Wir sind auf den Social Media-Kanälen sehr aktiv und posten täglich Neuheiten aus unserem Sortiment. Dabei geht es uns nicht nur um das An den Mann bringen der Produkte, sondern auch darum, unsere Kundinnen und Kunden auf andere Gedanken zu bringen und ihnen zu sagen: Wir sind für euch da», verdeutlicht Peter Thöny. Auf der Instagram-Seite des Bücherwurms gibt es täglich einen persönlichen Buchtipp. «Unser Kiosksortiment haben wir in unsere Bäckerei Konditorei Balu gezügelt, sodass dort jeden Tag Zeitschriften, Zeitungen, Zigaretten, Lose, Abfallmarken usw., gekauft werden können. Im Balu sind Hamsterkäufe nicht möglich und unsere Kundschaft schätzt es sehr, dass unsere Mitarbeiterinnen Zeit für einen Schwatz und ein Lächeln haben.» Darüber hinaus können Videotelefonate durchgeführt werden, im Kinderkleidergeschäft You können Kleiderpakete bestellt und daheim probiert werden. «Unsere Chauffeure sind von früh bis spät unterwegs, sodass die bestellte Ware so rasch wie möglich, wenn nicht sogar am gleichen Tag, vor der Haustüre steht», so Thöny. Geschichten wie diese gibt es viele dieser Tage. Eine davon handelt von Patrick Dentsch, Mitinhaber von Eingekocht.li. Sein Unternehmen steckt noch in den Kinderschuhen. Ursprünglich ist er Kameramann, doch in Zeiten abgesagter Veranstaltungen muss ein neues Standbein her: «Wir verkaufen und liefern selbstgemachte Speisen wie zum Beispiel Saucen, Suppen und Gerichte ohne Konservierungsstoffe oder Geschmacksverstärker. Wir produzieren diese Lebensmittel sowohl frisch als auch als eingekochte Variante in umweltfreundlichen Gläsern. Unser Renner ist die zerrupfte Sau im Glas – das Pulled Pork für Jedermann. Alle unsere Zutaten kommen aus der Region und sind transparent nachvollziehbar», so Dentsch.

Kleine Erfolgsmomente

Und die Erfolge? Es gibt sie – im Kleinen, wenn man genau hinschaut. Lazo und Rada Lipovac, Inhaber des Gemüse- und Gartencenter berichten von kleinen grossen Erfolgsgeschichten jeden Tag. «Es gibt nichts Schöneres, als wenn Sie glückliche Gesichter sehen, unsere Kunden sagen uns jeden Tag wie dankbar sie dafür sind, dass es so ein tolles Geschäft in Schaan noch gibt», lassen die beiden Unternehmer wissen. Und es gibt Reaktionen: «So schreibt beispielsweise eine Enkelin, dass sie das Körbchen der besten Nana wünscht, die immer auf sie aufgepasst hat und die sie nun nicht besuchen kann.» Auch Bianca Herzog und Susanne Loibner (Geschäftsführung und Inhaber von Juwelier Herzog Loibner) haben ihre Erfolgsgeschichten: «Dem Grau der Pandemie mit bunten Farbedelsteinen ein Ende setzen. Sich selbst oder den Liebsten besonders in schwierigen Zeiten etwas Gutes tun.» Eines haben alle befragten Unternehmer gemeinsam: Aufgeben ist derzeit keine Option.

«Man spürt bei vielen das Unternehmerblut, indem sie nach vorne schauen und auch neue Ideen einbringen.» Jürgen Nigg, Wirtschaftskammer

«Erfolgsgeschichte können wir als ganzes Land schreiben, wenn wir gesundheitlich und wirtschaftlich mit möglichst wenig Schaden aus Corona herausgehen.» Marion Real, Inhaberin Auhof Anstalt

von Holger Franke (Volksblatt 01.01.2020)