Corona-Krise wird alle Branchen «extrem hart» treffen

Rainer Ritter lobt zwar das Hilfspaket der Regierung, er erachtet aber ein zusätzliches Konjunkturprogramm als notwendig.

Rainer Ritter lobt zwar das Hilfspaket der Regierung, er erachtet aber ein zusätzliches Konjunkturprogramm als notwendig.

Der Umsatzeinbruch führt bei vielen Unternehmen im Zuge der Corona-Krise zu Liquiditätsengpässen. Je länger der Lockdown dauert, desto schwieriger wird es für Gewerbe und KMU. Wie Rainer Ritter als Präsident der Wirtschaftskammer betont, leiden zwar im ersten Schritt die Gastronomen und Detailhändler sowie Dienstleister wie Coiffeure besonders stark, doch nach und nach werde es spätestens Mitte des Jahres alle Branchen im Land «extrem hart» treffen. Grundsätzlich schätzt er daher das Hilfspaket der Regierung und der Gemeinden in der Höhe von 120 Millionen Franken, um Unternehmen rasch und unbürokratisch unter die Arme zu greifen, als gelungen ein. Doch für das zweite Hilfspaket gibt es noch einige Wünsche, wie Ritter auf Anfrage erklärt. 
Für Selbstständige zum Beispiel, die durch Betriebsschliessungen betroffen sind: Sie müssen nach derzeitigen Richtlinien ihren Haupterwerb zu mindestens 60 Prozent selbstständig erwirtschaften. Nur dann haben die betroffenen Einzelunternehmer auf mehrere tausend Franken Nothilfe monatlich Anspruch. «Ich erhoffe mir hier noch eine gute Lösung durch das Hilfspaket 2.0.» Eine solche Lösung habe man für neu gegründete Unternehmen zum Teil bereits gefunden, die im ersten Paket durch das Raster gefallen sind, da sie eine Gewerbebewilligung  seit einem Jahr vorweisen mussten. Diese Vorgaben wurden nun aufgeweicht. 

Alteingesessene Firmen warten auf Notkredit
Rainer Ritter beobachtet dennoch, dass Firmen teilweise durch das Raster fallen. Sogar alteingesessene Unternehmen bekommen keinen Überbrückungskredit und hier hofft er, dass sich dies durch das optimierte Massnahmenpaket verbessern wird. Grundsätzlich betont Ritter, dass die Regierung ein offenes Ohr für die Anliegen der Unternehmer und der Wirtschaftskammer habe. Daher zeigt er sich zuversichtlich, dass noch weitere Lücken geschlossen werden. Beim Hilfspaket rufen viele nach nicht zurückzuzahlenden oder gänzlich zinsfreien Krediten. «Ich muss der Regierung recht geben, dass völlig zinslose Kredite Fehlanreize schaffen und Trittbrettfahrer dies ausnutzen könnten.» Er sieht dies kritisch. Daher müsse laut Ritter sicher über den Zeitraum diskutiert werden, wie lange diese Darlehen ohne Zinsen vergeben werden. 
Die Regierung will dem Sonderlandtag am Mittwoch vorschlagen, diese für die gesamte Laufzeit ohne Zinsen zu gewähren. Damit beugt sie sich dem demokratischen Willen und reagiert auf die Motion von 21 Landtagsabgeordneten, die das Hilfspaket dahingehend anpassen wollen. Doch noch immer vertritt die Regierung die Ansicht, dass gänzlich zinslose Kredite Fehlanreize schaffen und die Wettbewerbssituation verzerren könnten.
 
«Wer kauft jetzt noch ein neues Auto?
Trotz eines umfassenden Hilfspakets müssen die Unternehmer des Landes nun ihren Unternehmergeist unter Beweis stellen und harte Zeiten überstehen. Auch seine eigene Branche, der Autohandel, ist von der Corona-Krise betroffen. Ritter fürchtet, dass die Folgen noch lange zu spüren sein werden – nicht nur während des Lockdowns. «Im Moment kauft niemand mehr ein Auto und ich fürchte, dass wir dieses Jahr bedeutend weniger Autos verkaufen werden», sagt Ritter. 
Denn sinkende Umsätze, Kurzarbeit und dadurch niedrigere Löhne werden dafür sorgen, dass Konsumenten weniger Geld zur Verfügung haben und dieses in unsicheren Zeiten sparen werden. Ein geringerer Konsum trifft die Händler damit auch, nachdem die behördlichen Massnahmen langsam wieder aufgehoben werden. Es sei daher wichtig, die Wirtschaft wieder so schnell wie möglich hochzufahren. Dafür erachtet Ritter die Antikörper-Tests als sehr wichtig. «Je mehr getestet wird, desto häufiger kann eine Immunität festgestellt werden und diese Arbeitnehmer können ihre Tätigkeit wieder aufnehmen», sagt Ritter. «Zudem müssen wir sicher über ein Konjunkturprogramm diskutieren.» Für den Sommer plant die Wirtschaftskammer ein Unternehmerforum in Liechtenstein, bei dem auch Wirtschaftsminister Daniel Risch dabei sein wird und das Thema diskutiert werden soll. 
Zudem hofft der Präsident der Wirtschaftskammer stark auf die Kunden, die nach der Krise den heimischen Handel und das Gewerbe unterstützen, indem sie in Liechtenstein einkaufen. Seit Jahren fordert er, dass die Mehrwertsteuerfreigrenze für Einkaufstourismus aufgehoben wird. Das sei eine staatlich verordnete Subvention, die nicht fair für den heimischen Handel sei. Doch im Fokus steht zunächst eine ganz andere Frage: Wie der Lockdown langsam wieder aufgehoben werden kann. Ritter hofft darauf, dass Betriebe und Geschäfte bald schrittweise wiedereröffnen können, wenn sie sich beim Verkauf an die Abstandsregeln halten und dies auch problemlos möglich ist. «Man sollte den Spielraum ausloten und auch bald nutzen, den es hier gibt.» (dal)

(Vaterland am 07.04.2020, Bild Tatjana Schnalzger)