Baumeister rüsten sich für Zukunft

In der Hofkellerei fand gestern der Baumeister-Apéro des Baumeisterverbandes statt. Neben sorgenvollen Worten im Hinblick auf die aktuelle Lage richtete sich der Fokus auf aktuelle technische Entwicklungen, die das Bauen revolutionieren könnten.

«Wir haben ein schwieriges und herausforderndes Jahr hinter uns – und vor uns», sagte Köbi Steiger,
neuer Präsident des Baumeisterverbandes. Auftragslage, Materialpreise, Vergabeweise, Fachkräfteman-
gel, Nachwuchsprobleme und Digitalisierung: Die Branche hat es derzeit mit einigen «Baustellen» zu
tun. Wie Steiger ausführte, ist das Bauvolumen im zweiten Quartal deutlich eingebrochen, gleichzeitig
aber sind Bauprojekte und Baukosten gestiegen. Ein grosses Problem seien die Materialpreise. Sie hätten sich zwischen 2012 und 2021 nahezu linear entwickelt. Dann folgte der Anstieg in astronomische Höhen. «Das bewegt uns massiv. Die Kosten können die Baumeister nicht einfach aus dem eigenen Sack zahlen. Das hat uns auf dem linken Fuss erwischt», so Steiger. Auch von den Lieferengpässen sei man auf dem linken Fuss er wischt worden. Man hatte das Gefühl, das Schlimmste nach der Coronakrise überstanden zu haben. Doch dann kam der Krieg in der Ukraine – der auch zeigte, wie gross auch hierzulande die Abhängigkeit vom Ausland ist. «Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, der Herbst und der Winter werden uns massiv fordern», meinte Steiger. Verhandlungen mit den Lieferanten werden nötig sein, aber einfach dürfte es nicht werden. Als Beispiel nannte der Präsident des Baumeisterverbandes Dämmmaterial. Preissteigerung: 70 Prozent. «Das ist massiv, was uns da aufgebürdet wird. Darum sind wir auf die Vernunft der Bauherren, Mitbewerber und Kalkulatoren angewiesen.»
Öffentliche Vergabewesen kritisiert
Zu den weiteren – bekannten – Sorgen der Baubranche gehört das öffentliche Vergabewesen: Steiger kritisierte, dass der Preis bei Ausschreibungen zu 100 Prozent bewertet werde und forderte Reformen.
«Es muss ein Weg vom Preis- hin zum Qualitätswettbewerb führen.» Diesbezüglich habe es bereits konstruktive Gespräche mit der Regierung geben. Entsprechende Vorschläge sollen nun ausgearbeitet
werden. Als wären die Sorgen mit all dem nicht schon gross genug, drücken auch Nachwuchssorgen auf
das Gemüt. «Die Wertschätzung für Bauberufe ist nicht gerade die beste – warum auch immer», nahm Steiger kein Blatt vor den Mund. Vielleicht sei es das Wetter, die körperliche Arbeit, die Arbeitszeiten, vielleicht zum Teil die «dreckige» Arbeit. Vielleicht läge das Problem auch in den Schulen, die die Schüler
möglicherweise zu wenig für Bauberufe sensibilisiert. «Klar macht bauen Arbeit – aber jeder ist dann später froh, in einem schönen Haus zu wohnen. Der Bau ist wichtig, den hat es immer schon gebraucht, und es wird den Bau immer brauchen. Wir müssen uns besser verkaufen», fasste Steiger zusammen.
Zweischneidige Digitalisierung
Die dieser Tage nahezu überall diskutierte Digitalisierung betrachtet der Präsident des Baumeisterver-
bandes offenbar als zweischneidiges Schwert. Die Baumeister seien schon weiter bei der Digitalisierung, als mancher denkt. Aber es seien eben auch noch immer Menschen im Spiel. «Bei einem Wasserrohrbruch braucht der Kunde eine Telefonnummer und keine digitalisierten Prozesse», so Steiger. Die Digitalisierung habe sicher ihre Vorteile, sie müsse aber richtig aufgegleist werden. Ein Beispiel hierfür zeigte im Anschluss Andy Frei (MEB Group) in seinem Vortrag unter den Titel «BIM – Warum wir heute Geld
verschenken und wie wir dies gemeinsam ändern können». Nicht nur in der Baubranche wird unter
Building Information Modeling (BIM) eine innovative Arbeitsmethode im Planungs-, Abwicklungs-
und Betreiberprozess verstanden, welche auf digitalen Gebäudemodellen basiert. Das Bauwerk wird
vor der Realisierung als Modell im Computer gebaut. Andy Frei erklärte gestern den aktuellen Stellenwert
von BIM in der Bauwirtschaft und welches Potenzial, aber auch welche Herausforderungen, dahinter stecken. Er erläuterte mögliche Lösungsansätze und welche Kompetenzen und Aufgabenverteilungen
nötig sind, um diese sinnvoll umzusetzen.

Von Holger Franke, Volksblatt, 15.09.2022, Foto MZ