Der Landtag ist für Bürokratieabbau – aber viele Vorstösse verstärken die Bürokratie

Lächelnder Geschäftsmann in Anzug vor Hintergrund der Wirtschaftskammer Liechtenstein.

Gastkommentar vom Präsidenten der Wirtschaftskammer, Ado Vogt, im wirtschaftregional am 31.10.2025

Das Landtagssekretariat verzeichnete in diesem Jahr bis jetzt 21 Vorstösse. Wenn die vier Petitio­nen ausgeblendet werden, die von Bürgerinnen und Bürger stammen, verbleiben noch 17 soge­nannte parlamentarische Vorstösse, also Inter­pellationen, Motionen, Postulate und Initiativen. Bis Jahresende, ist zu vermuten, werden noch einige weitere Anliegen dazukommen, die an die Regierung zur Beantwortung oder Behand­lungen weitergereicht werden. Blickt man auf diese Reihe von Vorstössen, kommt unweiger­lich eine gewisse Anerkennung für unsere Milizparlamentarier auf, die neben dem politischen Mandat noch einer beruflichen Beschäftigung nachgehen: Liechtenstein hat einen aktiven Landtag, eine aktive Volksvertretung!

Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Vorstösse die Regierung und die Verwaltung be­schäftigen werden. Nicht selten führen solche Vorstösse zu neuen gesetzlichen Regelungen oder angepassten Vorschriften. Oder anders formuliert: Meist resultiert daraus mehr Büro­kratie, denn neue Regelungen und Vorschriften müssen umgesetzt und kontrolliert werden. Dabei sind auch im Landtag immer wieder Stimmen für einen Bürokratieabbau zu hören, nicht nur von den Wirtschaftsverbänden.

Für die seit einem halben Jahr amtierende Regierung legt der Koalitionsvertrag zudem fest, dass sie «schlank, leistungsfähig, kundenfreundlich und kompetent» bleiben soll, mit kurzen Wegen für die Bürgerinnen und Bürger. Geltende Regeln sollen nach dem Koalitions­vertrag auf allfällige Überregulierungen über­prüft und möglichst angepasst werden, um Private und Unternehmen von unnötigem administrativem Aufwand zu entlasten. Im Okto­ber-Landtag diskutierten die Abgeordneten in der Aktuellen Stunde über die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Liechtenstein. Obwohl es in dieser Diskussion vornehmlich um die Reaktion auf die amerikanische Zollpolitik ging, hatte die VU-Fraktion bei der Begründung des Diskussionsthemas auch auf die Bürokratie hingewiesen. Die Regierung sollte im Rahmen der EU-Regulierungen schon im Entstehungspro­zess darauf einwirken, dass die Regulierungen möglichst wirtschaftsliberal ausgestaltet wer­den.

In der Debatte selbst spielte das Thema Büro­kratie deshalb auch eine Rolle, nicht nur die Sorge um die Exportindustrie und um die Sicherung von Arbeitsplätzen. Die Wirtschafts­treibenden sollten in den gegenwärtig heraus­fordernden Zeiten nicht mit zusätzlichen Regulierungen belastet werden, lautete eine der Forderungen. Mit Blick auf EU-Regulierun­gen, die das EWR-Land Liechtenstein meistens ohne Abstriche übernimmt, sprachen sich Abgeordnete nur für eine «minimale Umsetzung» aus. Ebenso sollte überprüft werden, ob Regu­lierungen nicht zurückgenommen werden könnten. Dramatisch tönte die Schilderung über Probleme von Kleinunternehmen, die gegen Papier, Paragrafen und Bürokratie kämpfen müssten. Allerdings gab es auch andere Stim­men, die kritisierten, auch aus dem Landtag würden laufend neue Forderungen in Form von Vorstössen eingebracht, die letztlich zu mehr Bürokratie führten. Die pauschale Forderung nach Bürokratieabbau, so eine besorgte Stim­me, berge die Gefahr, dass bestehende Stan­dards gesenkt würden. Es brauche also nicht weniger Regeln, sondern kluge Regeln!

Was aber sind kluge Regeln? Damit befasst sich die Wirtschaftskammer schon seit geraumer Zeit. Für kleine Handwerksbetriebe, so viel dürfte klar sein, ist der Zeit- und Kostenauf­wand zu hoch. Wenn es um die Übernahme von EU-Richtlinien geht, wird zu wenig Rücksicht auf Kleinunternehmen genommen. Bei der Einführung von neuen Gesetzen und Verord­nungen wird zwar die Verfassungsmässigkeit überprüft, ebenso die EU-Übereinstimmung, aber noch nicht die KMU-Verträglichkeit oder die Belastung für die kleinen Unternehmen, die nur im Binnenmarkt tätig sind.

Aus der Debatte in der Aktuellen Stunde über die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Liech­tenstein könnte der Landtag mindestens zwei Lehren für seine eigene Tätigkeit ziehen. Erstens könnte er darauf pochen, dass bei Geset­zesvorlagen der Regierung die Verträglichkeit für Klein- und Mittelunternehmen überprüft wird. Zweitens könnten die Fraktionen vor der Eingabe eines parlamentarischen Vorstosses überprüfen, ob die damit angesprochenen Forderungen nicht zu einer Aufblähung der Büro­kratie führen. Nicht abwegig wäre es schliess­lich, künftig Gesetzvorlagen dahingehend zu überprüfen, ob die neuen Bestimmungen wirk­lich vereinbar sind mit einem liberalen Wirt­schaftsstandort.