Weil der Energieaufwand in der Bäckerbranche überdurchschnittlich hoch ist, geht die Strompreiserhöhung an die Existenz der Bäcker.

Die Rohstoffpreise sind bereits gestiegen, das Papier für die Brottüten wird auch stetig teurer. Bereits das macht den Bäckereien zu schaffen. Wenn die Strompreise im kommenden Jahr jetzt aber noch massiv er
höht werden, wird es wirklich
kritisch für die Branche. «Dann ist es eine Frage der Zeit, wie lange wir noch überleben», bestätigt Richard Wanger, Präsident des Bäcker- und Konditorengewerbes. Es liege sicher
nicht im Sinne eines Unter
nehmers, «betteln» zu gehen. «Aber eine solche Situation hat ten wir noch nie. Die Energiekrise nimmt eine Dimension an, die wir nicht mehr zu stemmen vermögen. Wir gehen in
unsichere Zeiten», so Wanger.

«Ab Januar geht es ans Eingemachte»
Dass es das Bäcker- und Kondi
torengewerbe nun besonders hart trifft, liegt laut Richard Wanger daran, dass der Energieaufwand in diesem Bereich überdurchschnittlich hoch ist. «Wir heizen ja nicht nur unsere
Öfen, sondern müssen be
stimmte Produkte auch kühlen. Öfen, Kühlanlagen, aber auch Knetmaschinen sowie Auslagevitrinen sind nun einmal Stromfresser», erklärt Wanger. Natürlich würden derzeit sämtliche Prozesse in den Bäckereien auf den Kopf gestellt und Prozesse optimiert, um Energie zu sparen. «Aber mit der Erhöhung der Strompreise ab dem 1. Januar geht es wirklich ans Eingemachte.» Die Preise komplett auf die Produkte und damit die Kunden zu überwälzen, ist nicht wirklich eine Option für Richard Wanger. «Wer kauft noch ein Brot für 8 Franken? Wir sind uns bewusst, dass wir die Mehrkosten in diesem Ausmass nicht auf die Produkte schlagen können», so Wanger. Aber «nichts machen geht halt auch nicht».

Schlimmer als Coronapandemie
Ab dem kommenden Jahr
müsste die Bäckerei Konditorei Confiserie Wanger rund eine Viertel Million mehr Umsatz machen «und das nur, um die Stromkosten zu decken», betont Richard Wanger. Und auch
die anderen Bäckereien des
Landes können den Umsatz nicht so weit erhöhen, dass wenigstens die Mehrkosten dadurch gedeckt würden. «Das würde bedeuten, dass die Menschen ihre Brötchen nur noch in den Bäckereien des Landes kaufen. Und das wird nicht der Fall sein.» So treffe es also alle Bäckerei- und Konditoreibetriebe massiv. Und zwar härter, als es die Coronapandemie jemals vermocht hätte. «Da
konnte Kurzarbeit eingeführt
werden. Und es gab finanzielle Unterstützungen. Aber das hier trifft uns frontal.» In der Zwischenzeit sei das Anliegen der Branche von der Wirtschaftskammer an die Politik herangetragen worden. «Wir hoffen sehr, dass wir nicht im Stich gelassen werden», so Wanger. Fakt sei: Mit den geplanten Strompreiserhöhungen seien die Bäckereien des Landes nicht mehr in der Lage, ihren Betrieb weiterzuführen.

Auch in der Schweiz wird Alarm geschlagen
Auch in der Schweiz drohen die
Öfen auszugehen. Bäckereien und Konditoreien leiden gleichermassen. Eyüp Aramaz, der in Deutschland, Österreich und der Schweiz über 200 Bäckereien berät, spricht gegenüber «20 Minuten» von einem Kosten-Tsunami: Nicht nur die Personalkosten seien gestiegen,
auch die Ausgaben für Material
und Energie seien explodiert. Die Preise für Mehl und die Instandhaltung von Maschinen seien in wenigen Monaten um bis zu 80 Prozent rauf, Gas und Energie koste gar drei Mal
mehr. Ein Grossteil der Schwei
zer Bäckereien nutze Gasöfen, doch umzurüsten sei schwierig. Denn die meisten Geschäfte seien inhabergeführt und hätten nur geringe Investitionsmöglichkeiten. Die Mehrkosten fressen auch hier die Gewinne auf. Hunderte Betriebe in der Schweiz seien darum in Gefahr.
«Der Staat muss eingreifen, es
braucht dringend einen Rettungsschirm», fordert auch Aramaz die Hilfe des Staates ein, um der Branche eine Zukunft zu ermöglichen. Nicht besser sieht die Situation in Deutschland und Österreich aus, wo bereits von einer «Alarmstufe Brot» gesprochen wird. Den Betrieben des Bäckereigewerbes geht finanziell reihenweise die Kraft aus. Spielraum, den Bedarf an Energie zu
drosseln, orten die Branchen
vertreter nur bedingt. Milch gehöre nun einmal auf mehr als 70 Grad erhitzt. Teige guter Qualität brauchen nun einmal viel Zeit zum Gehen, wodurch der Energiebedarf fürs Kühlen
wiederum fast höher sei als fürs
Backen

Wirtschaftregional 21.10.22 von Desireé Vogt