Die Transportbranche steht aktuell vor grossen Herausforderungen

Transport Der Lkw-Stau im Grenzgebiet Tisis-Schaanwald ärgert täglich Anwohner sowie die Transportbranche.
Stein des Anstosses ist aus Sicht der Vorarlberger und Lkw-Chauffeure das seit 1999 existierende Nachtfahrverbot.

Zumindest in einem Punkt sind sich alle involvierten Parteien einig: Es muss sich etwas ändern. Der tägliche Lkw-Stau vor dem Zollamt in Tisis ist eine untragbare Zumutung für Anwohner sowie Lkw-Chauffeure und eine Gefahr für alle Verkehrsteilnehmer. Auch den Linienbusverkehr erschwert er massiv. Das reicht soweit, dass Liechtensteiner Busse an starken Lkw-Stautagen gleich schon in Schaanwald wenden und Feldkirch gar nicht mehr anfahren. «Es genügt eine Bestandsaufnahme vor Ort, um sich ein klares Bild von der Situation zu machen. Es scheint mir, dass dies der gefährlichste Strassenabschnitt zu uns ins Land ist. Er gefährdet nicht nur Leib und Leben, sondern auch die Wirtschaftsleistung durch den  verursachten Stau», sagt Jürgen Nigg, Geschäftsführer der Wirtschaftskammer Liechtenstein.
Die Situation ist seit Jahren bekannt. Politisch ist jedoch bislang wenig geschehen. In Vorarlberg wird als Auslöser der Misere das Land Liechtenstein angesehen, konkret geht es um das Nachtfahrverbot in Schaanwald. Es ist entstanden, weil die Zollabfertigungszeiten 1999 ausgedehnt wurden. Mit dem Fahrverbot wollte die liechtensteinische
Regierung die Bevölkerung vor einer Zunahme der Lkw-Fahrten schützen. Zusätzlich zum generellen Nachtfahrverbot von 22 Uhr bis 5 Uhr wurde im Jahr 1999 beim Zollamt Schaanwald ein partielles Fahrverbot für Lastwagen verordnet. Dieses gilt von 18 bis 22 Uhr und von 5 bis 7.30 Uhr.

Schutz vor Emissionen und Lärm

Am generellen Nachtfahrverbot wollen weder Vertreter aus Wirtschaft noch Bevölkerung rütteln. «Das gesetzliche Nachtfahrverbot von 22 Uhr bis 5 Uhr soll bestehen bleiben, weil es sinnvoll ist. In dieser Zeit herrscht Emissionsfreiheit und Ruhe, welche sich alle Anwohner verdient haben. Zudem brauchen auch die Fahrer der Lkws ihre verdiente Ruhezeit», sagt Nigg. Auch Andrea Matt, Gemeinderätin aus Mauren-Schaanwald, hebt die positiven Auswirkungen des Gesetzes hervor: «Dank des Nachtfahrverbots ist es gelungen, die Bevölkerung vor einer massiven Zunahme der Lkw-Fahrten zu schützen. Vergleicht man die Lkw-Entwicklung an allen Grenzen im Rheintal, hat der Lkw-Verkehr in Schaanwald seit 1990 am wenigsten zugenommen. » Trotzdem müssten die Menschen in Schaanwald mit sehr
hohen Lärmbelästigungen über den Alarmgrenzwerten leben. Diese Lärmbelästigung gelte es zu reduzieren. Man dürfe sie keinesfalls dadurch erhöhen, dass man das Nachtfahrverbot aufhebe und mehr Lastwagenverkehr möglich mache. Georg Sele vom Verkehrsclub Liechtenstein (VCL) könnte sich sogar vorstellen, dieses Fahrverbot auszuweiten: «Es sollte am Morgen bis 8 Uhr ausgedehnt werden im Rahmen der Schulwegsicherheit.»

Wirtschaftskammer mit Pilotprojekt

Für Nigg ist klar, würde der Lösungsvorschlag des Liechtensteinischen Transportgewerbes umgesetzt, würde sich die Situation schlagartig verbessern. Dazu müssten die Fahröffnungszeiten für Lkws – ohne das gesetzliche Nachtfahrverbot von 22 Uhr bis 5 Uhr anzutasten – ausgeweitet werden. Zusätzlich sollte eine 30km/h-Beschränkung sowie ein «Flüsterbelag» eingeführt werden, die den Lärm um mehr als die Hälfte reduzieren würden. Auch die Sicherheit der Fussgänger würde so verbessert werden, insbesondere für Schüler. Nigg kann sich vorstellen,  diesen Lösungsvorschlag als Pilotprojekt für ein Jahr zu testen. Für den VCL und Andrea Matt ist auf lange Sicht jedoch klar, dass der gesamte Transitverkehr umgeleitet werden muss. «Das Land Vorarlberg und die Stadt Feldkirch hätten schon lange Lkw-Warteräume ausserhalb der Stadt, also im Walgau und im Rheintal, einrichten müssen. Für den Bau des Stadttunnels ist dies eine Voraussetzung. Dringend nötig ist eine Lkw-Verbindung der Schweizer und österreichischen Autobahnen mit entsprechender Zollabfertigung nördlich von Feldkirch, etwa im Bereich Mäder», sagt Sele. Auch Matt sieht die Möglichkeit, den Transitverkehr auszulagern: «Der internationale Lkw-Verkehr muss aufgrund der Vorgaben der Zollbehörden über das Zollamt Tisis-Schaanwald fahren. Es ist unsinnig, den Transitverkehr durch dicht besiedeltes Gebiet zu führen. Besser wäre es, den Verkehr abseits der Siedlungsgebiete von einer Autobahn zur anderen fahren zu lassen. Das ist im mittleren Rheintal möglich.»


81 Prozent Durchgangsverkehr

Der Politik obliegt die Aufgabe, im Konflikt zwischen Bevölkerung und
Wirtschaft zu vermitteln und Lösungen beizutragen. «Seitens des Transportgewerbes ist dies ein jahrelanger Kampf gegen Windmühlen. Es sollte endlich ein Ruck durch die Gemeinderäte von Eschen und Mauren gehen», fordert Nigg. Lösungen wünschen sich auch Andrea Matt und der VCL, der aber anmerkt, dass die betroffene Transportbranche wohl eher eine europäische sei. Denn nur rund 19 Prozent der Lkws hätten Start und Ziel in Liechtenstein, 81 Prozent sei Durchgangsverkehr. Lösungen sind also gefragt.

Wirtschaftsregional, 12.10.19, von Reto Mündle